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Grand California Dreamin´: Mobile Bürgersprechstunde mit Hochbett

Grand California Dreamin´: Mobile Bürgersprechstunde mit Hochbett

Grand California Dreamin´: Mobile Bürgersprechstunde mit Hochbett

VW-California
VW-California
Mit dem VW-Grand California wird die Bürgersprechstunde zum Ferienerlebnis Foto: picture alliance/Volkswagen Nutzfahrzeuge/VW Volkswagen Nutzfahrzeuge AG/obs
Grand California Dreamin´
 

Mobile Bürgersprechstunde mit Hochbett

Wer sich den VW-Werbekatalog des „Grand California“ anschaut, kann leicht in Urlaubsstimmung geraten. Bergdörfer, verlassene Strände, abgelegene Wanderrouten. Doch offenbar eignet sich das Gefährt auch für politische Zwecke. Warum sonst sollten drei AfD-Abgeordnete ein solches Modell auf Steuerzahlerkosten bestellen?
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Egal ob „einsame Bergdörfer, verlassene Strände oder abgelegene Wanderrouten“: Mit dem Grand California könne man sein Fernweh, seine Abenteuerlust und generell die „Sehnsucht nach unbekannten Orten und der großen Unabhängigkeit“ befriedigen, verspricht Hersteller Volkswagen Nutzfahrzeuge in seiner Werbung. Denn der „große Bruder“ des beliebten VW-T6-California ist ein „mit Badezimmer ausgestattetes Reisemobil“, kurz: ein „voll ausgestattes Urlaubs-Zuhause“ auf der Basis des Sechsmeter-Kleinlasters Crafter.

Für potentielle Kunden, die durch den Katalog blättern oder sich durch die Internetseite klicken, kann leicht Urlaubsstimmung aufkommen. Doch offenbar scheint sich das Gefährt auch für andere Zwecke zu eignen – für politische. Denn wie sonst läßt es sich erklären, daß laut Informationen der JUNGEN FREIHEIT der Bremer Abgeordnete Frank Magnitz (AfD) plant, ein solches Modell namens seiner parlamentarischen Gruppe in der Hansestadt an der Weser anzuschaffen.

Austritt mit Folgen

Der Bundestagsabgeordnete war im Mai vergangenen Jahres in die Bremische Bürgerschaft eingezogen und hatte – zum Mißfallen vieler Parteifreunde insbesondere an der AfD-Spitze – sein Mandat im Bundestag weiter behalten. Ende August 2019 war Magnitz dann gemeinsam mit den beiden Abgeordneten Uwe Felgenträger und Mark Runge aus der AfD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft ausgetreten.

Grund dafür waren fraktionsinterne Streitigkeiten, unter anderem zwischen Magnitz und dem Fraktionsvorsitzenden Thomas Jürgewitz. Die AfD verlor daraufhin ihren Fraktionsstatus. Die Ausgetretenen bilden eine Gruppe, wobei sie sich nach einer Intervention des AfD-Bundesvorstands nicht als „AfD-Gruppe in der Bremischen Bürgerschaft“ bezeichnen dürfen. Seitdem firmiert sie unter der Bezeichnung Magnitz, Felgenträger, Runge (M.R.F.).

Während die beiden fraktionslosen AfD-Abgeordneten Peter Beck und Thomas Jürgewitz seitdem auf den Fraktionen „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ zustehenden Anspruch „auf Geld- und Sachleistungen“ verzichten müssen, bekommt die Gruppe M.R.F. solche zusätzlichen Leistungen. Sie setzen sich laut Paragraph 40 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft zusammen aus einem Grundbetrag, einem Betrag für jedes Mitglied sowie dem sogenannten Oppositionszuschlag.

25.000 Euro pro Monat

Im Falle von M.R.F. sind dies laut Auskunft der Bremischen Bürgerschaft derzeit 25.000 Euro pro Monat – 10.000 Euro Grundbetrag plus 4.000 Euro pro Kopf und noch einmal 1.000 Euro Zuschlag pro Kopf – aus dem Haushalt der Freien Hansestadt. Diese Leistungen dürfen die Mandatsträger nur für Aufgaben verwenden, die ihnen nach der Landesverfassung, dem Gesetz und der Geschäftsordnung der Bürgerschaft obliegen. „Eine Verwendung für Parteiaufgaben ist unzulässig.“ Wofür genau die Mittel verwendet werden, ist in einem Rechenschaftsbericht offenzulegen.

Wie aus einem Bestellformular hervorgeht, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, will die „Gruppe der Abgeordneten Magnitz, Runge, Felgenträger“ nun einen Volkswagen Grand California 600 mit Zweiliter-Turbodiesel (knapp 180 PS) und 8-Gang-Automatikgetriebe in den Farben „Reflexsilber Metallic/Indiumgrau Metallic, Palladium/Titanschwarz-Palladium“ erwerben. Mit einer dreiseitigen Sonderausstattungsliste kommt der 3,8 Tonner (Basispreis knapp 55.000 Euro) auf einen Listenendpreis von 81.229,53 Euro.

Verursacht werden die nicht unerheblichen Mehrkosten beispielsweise von einer Diebstahl-Alarmanlage mit Back-up-Horn, Innenraumüberwachung, Chromapplikationen im Fahrerhaus, Solaranlage auf dem Dach, Toilette mit Sogentlüftung, Fahrradträger am Heck für zwei Fahrräder, einer Markise auf – na klar – der rechten Fahrzeugseite und – wichtig nach anstrengenden parlamentarischen Marathonsitzungen – Verkehrszeichen- und Müdigkeitserkennung.

Datiert ist die „Verbindliche Volkswagen-Bestellung“ vom gestrigen Mittwoch, ausgeliefert werden soll das Fahrzeug – unverbindlich – im Oktober. Als Besteller-Adresse fungiert die des Bremer Büros von Magnitz, angegeben ist zudem seine private E-Mailadresse.

Magnitz will Wagen als Stadtteilbüro nutzen

Wofür die dreiköpfige Parlamentariergruppe ein solches Fahrzeug im Sinne ihrer von Verfassung, Gesetz und Geschäftsordnung vorgegebenen Aufgaben einzusetzen gedenkt, wird auf den ersten Blick nicht ganz klar. Denn die Wege im Stadtstaat Bremen sind überschaubar, selbst wenn man das durch niedersächsisches Gebiet getrennte Bremerhaven mit einrechnet. So verzichtet die Bürgerschaft auch aus gutem Grund beispielsweise auf Dienstwagen für die Abgeordneten. Und „einsame Bergdörfer, verlassene Strände oder abgelegene Wanderrouten“, die Volkswagens Marketingexperten als ideales Gelände für den Grand California anpreisen, sind rund um den Roland auch nicht zu finden.

Zum privaten Gebrauch darf das Gefährt indes nicht genutzt werden, zumindest nicht ohne Konflikt mit dem Gesetz. Dafür müßten die Abgeordneten schon ihre regulären Bezüge heranziehen. Im Fall der beiden reinen Landespolitiker sind dies je 2.485 Euro pro Monat (plus 421 Euro Kostenpauschale), bei Magnitz, dessen Abgeordnetenentschädigung aus Bremen mit seinen Bundestagsdiäten verrechnet wird, sind es monatlich 10.083 Euro (plus 4.498 Euro Kostenpauschale).

Für Magnitz liegt die zweckmäßige Nutzung indes auf der Hand. „Wir wollen den Wagen als mobiles Stadtteilbüro nutzen“, sagte er auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT. Mehr oder weniger gezwungenermaßen, denn anders als andere Fraktionen bekomme man keine entsprechenden Räumlichkeiten. Und man brauche dann schon etwas Anständiges, mit ausreichender Höhe und der Möglichkeit, zur Toilette zu gehen, bekräftigt der Politiker. Außerdem sei dies sinnvoll in einem Zwei-Städte-Staat.

AfD dürfte Fragen haben

Für die mobile Bürgersprechstunde wird nun der Steuerzahler des notorisch klammen Bremen – 30.041 Millionen Euro Schulden und ein Bedarf von 704 Euro pro Einwohner aus dem Länderfinanzausgleich – der Gruppe M.R.F. ein 3,8-Tonnen-Reisemobil („Mehr Raum. Mehr Komfort. Mehr Freiheit.“) finanzieren, „Hochbett inklusive Aufstiegsleiter, Beleuchtung und Panoramadachfenster“.

Doch die AfD dürfte Fragen haben. Denn dank der drei Parteimitglieder, deren Abgang die AfD den Fraktionsstatus in der Bürgerschaft kostete, entgehen ihr pro Monat 50.000 Euro Zuschüsse – für parlamentarische Arbeit (und ohne Aussicht auf – laut VW-Werbung – „frische Meeresfrüchte aus dem Nachbardorf, saftige Orangen von der Plantage am Berghang, Tomaten, die nach Süden und Sonne duften“).

Vielleicht war es aber auch die versprochene „Grand Kuschelzone“ des Grand California, nach denen sich die Käufer sehnen. Glatt nachvollziehbar angesichts einer örtlichen AfD im Dauerclinch.

Mit dem VW-Grand California wird die Bürgersprechstunde zum Ferienerlebnis Foto: picture alliance/Volkswagen Nutzfahrzeuge/VW Volkswagen Nutzfahrzeuge AG/obs
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