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Erinnerungskultur: Wieder fällt das Gedenken an die DDR-Opfer hinten runter

Erinnerungskultur: Wieder fällt das Gedenken an die DDR-Opfer hinten runter

Erinnerungskultur: Wieder fällt das Gedenken an die DDR-Opfer hinten runter

Westberliner gedenken 1953 der Getöteten des Volksaufstands in der DDR - bis heute fehlt ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus Foto: picture alliance / akg-images | akg-images
Westberliner gedenken 1953 der Getöteten des Volksaufstands in der DDR - bis heute fehlt ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus Foto: picture alliance / akg-images | akg-images
Westberliner gedenken 1953 der Getöteten des Volksaufstands in der DDR – bis heute fehlt ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus Foto: picture alliance / akg-images | akg-images
Erinnerungskultur
 

Wieder fällt das Gedenken an die DDR-Opfer hinten runter

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat große Pläne auf ihrem Arbeitsgebiet. Dabei fällt die Erinnerung an die Opfer der DDR-Diktatur hinten runter. Zu ihrer Verteidigung sei gesagt, daß deren Schicksal auch die Berliner Landesregierung und die Bundesregierung bislang nicht übermäßig interessiert hat. Ein Kommentar.
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Man kann Claudia Roth nicht vorwerfen, dass sie sich seit ihrem Amtsantritt als Staatsministerin für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt verstecken würde: In zahlreichen Interviews hat die Grüne ihre Vorstellungen für eine Kulturpolitik in ihrem Sinne dargelegt.

Roth sieht sich als „Kulturstaatsministerin der Demokratie“. Und will als solche auch die Erinnerungspolitik zu einem ihrer Schwerpunkte machen. Aufgefallen ist sie bislang unter anderem mit abwertenden Äußerungen über die christlich geprägte Kuppel des Humboldt-Forums („einfach nur abschreckend“).

Einen durchaus bedenkenswerten Satz sagte die Staatsministerin im Februar im Tagesspiegel: „Auch unsere Erinnerungskultur Ost und West müssen wir zusammenführen.“ In der Tat bleibt nach 30 Jahren Wiedervereinigung bisweilen der bittere Eindruck bestehen, dass Ost- und Westdeutsche mental immer noch einiges trennt.

Ein wahrnehmbares Denkmal fehlt noch

Das liegt nicht zuletzt daran, daß viele Westdeutsche von der Geschichte der Ostdeutschen zwischen 1945 und 1990 allenfalls rudimentäre Kenntnisse haben. Was also ließe sich aus Roths Forderung nach einer Vereinigung beider Erinnerungskulturen folgern, wenn nicht, daß die schwer vernachlässigte Erinnerung an die Folgen des DDR-Staatsozialismus aufgewertet werden muß?

Ein aktueller Ansatzpunkt dafür wäre, das lange geforderte Denkmal für die Opfer des Kommunismus in Berlin endlich zu errichten. Bislang geht das DDR-Gedenken in der Erinnerungslandschaft der Hauptstadt völlig unter. Wer kennt zum Beispiel schon das unscheinbare Denkmal für die Volksaufständler vom 17. Juni 1953 vor dem Finanzministerium an der Ecke Leipziger Straße/Wilhelmstraße?

Der Bundestag hat die Errichtung eines Kommunismusdenkmals bereits 2019 beschlossen. Mit diesem solle den „Opfern von kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland in angemessener Form ehrend gedacht“ und die „Erinnerung an das von der kommunistischen Diktatur begangene Unrecht wachgehalten werden“, hieß es damals. Union und SPD hatten sogar bereits 2015 gefordert, eine entsprechende Initiative vorzubereiten. Opfervertreter sind noch länger hinter diesem Anliegen hinterher.

Prozeß stockt

Dennoch ist nach wie vor kein Stein gesetzt worden, der Prozeß stockt. Die Machbarkeitsstudie zu dem Projekt, die der Bundestag 2019 forderte, liegt bis heute nicht vor. Eine 19seitige Konzeption, die Vorschläge zu Gestaltung und Widmung macht, wurde mit Verspätung fertiggestellt.

Derzeit besteht das Problem dem Vernehmen nach vor allem in der Suche nach einem geeigneten Standort. Der Kulturausschuß des Bundestages sprach sich im vergangenen Sommer für einen Bau in unmittelbarer Nähe zu Kanzleramt und Reichstag (Scheidemannstraße/Heinrich-von-Gagern-Straße) aus, da, so formuliert es die Union, dort unter anderem „die deutliche Sichtbarkeit“ am besten gegeben sei.

Im vergangenen Sommer appellierte die Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung, Anna Kaminsky, an die Politik und den Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke), „daß dieser Standort festgemacht wird“. Auch zuletzt führte Kaminsky wieder Gespräche mit Berliner Landespolitikern. Der genaue Stand des Verfahrens ist unbekannt. Eine Anfrage der JUNGEN FREIHEIT dazu ließ die Senatsverwaltung für Kultur unbeantwortet.

Union macht Tempo

In der Vergangenheit forderte bereits die AfD eine zügige Realisierung. Im Bundestag treibt jetzt auch die Union den Prozeß voran. Sie hatte sich bereits zu rot-grünen Zeiten in der Opposition als Vertreter der DDR-Opfer gegenüber der Bundesregierung positioniert, muß sich aber anrechnen lassen, daß sie in den vergangenen 16 Jahren selbst den Kulturstaatsminister stellte.

In dieser Woche soll das Parlament über einen Antrag der Christdemokraten zum Thema diskutieren. Darin fordern sie, eine Realisierung bis 2024 und eine Grundsteinlegung am 17. Juni 2023, dem 70. Jahrestag des revolutionären Volksaufstandes in der gesamten DDR, zu ermöglichen.

Die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), die in den Prozeß involviert ist, erklärt dieses Ziel auf JF-Nachfrage für realistisch. Anderes war jüngst im Tagesspiegel zu lesen: „Dieser Termin läßt sich nicht halten.“

Was macht die Staatsministerin?

Und Staatsministerin Roth, die die Erinnerungskultur immerhin prioritär beackern will? Die hat sich bislang öffentlich gar nicht wahrnehmbar zu dem Prozess geäußert. Nicht einmal zur DDR-Erinnerung insgesamt sind Aussagen von ihr aus der letzten Zeit präsent. Eine schnelle Suche auf Roths persönlicher Webseite zu den Schlagworten „DDR“ und „Kommunismus“ ergibt null Treffer.

Auch im Koalitionsvertrag der Ampel spielt das Denkmal keine Rolle, dafür wird ein „Lernort- und Erinnerungsort Kolonialismus“ in Aussicht gestellt. Fürchtet die Staatsministerin und mit ihr die Bundesregierung, daß die von ihr gewünschte Balance der Erinnerung in der Hauptstadt durch eine sichtbare Aufwertung des DDR-Gedenkens aus den Angeln gehoben werden könnte?

Nach eigener Auskunft ist das nicht der Fall. Ein Sprecher erklärt auf JF-Nachfrage, die Staatsministerin habe sich „bereits intensiv“ mit dem Denkmal „befaßt“. Dieses schließe „eine Lücke in der Reihe der Berliner Mahn- und Erinnerungsorte“. Roth befinde sich „in enger Abstimmung mit dem Bundesland Berlin betreffend eines geeigneten Standortes“.

Öffentlich vermittelt sie diesen Eindruck bislang jedoch kaum. In dieser Woche hat sie die Möglichkeit, sich im Bundestag sichtbar dazu zu bekennen.

Westberliner gedenken 1953 der Getöteten des Volksaufstands in der DDR – bis heute fehlt ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus Foto: picture alliance / akg-images | akg-images
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