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Zukunft der Zensur: Auf der Suche nach dem Hauptverantwortlichen – Teil 2

Zukunft der Zensur: Auf der Suche nach dem Hauptverantwortlichen – Teil 2

Zukunft der Zensur: Auf der Suche nach dem Hauptverantwortlichen – Teil 2

YouTube-Algorithmus
YouTube-Algorithmus
Beeinflußt der YouTube-Algorithmus die Nutzerzugriffe? Foto: picture alliance / Zoonar | Kheng Ho Toh
Zukunft der Zensur
 

Auf der Suche nach dem Hauptverantwortlichen – Teil 2

Im zweiten Teil seines Essays widmet sich „Der Schattenmacher“ der Wirkmächtigkeit des YouTube-Algorithmus. Doch gibt es überhaupt Alternativen zu YouTube? Und welche Rolle obliegt eigentlich der AfD im alternativen Medienkampf?
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Die Zensurmethodik selbst hat sich an die Bedingungen des digitalen Zeitalters angepaßt und verläuft deutlich vielschichtiger, als man es sich im klassischen Sinne des Wortes vielleicht vorstellen mag. Sicher, es gibt die Holzhammermethode der Video- und Kanallöschung. Jeder alternative YouTuber arbeitet im ständigen Bewußtsein, daß dieses Damoklesschwert über seinem Haupte schwebt. Wenn es ihn trifft, dann gerne drei oder vier Monate nachdem sein Kollege gecancelt wurde und wiederum drei oder vier Monate bevor der nächste dran glauben wird. Die zeitliche Isolation macht ein kollektives Aufbegehren weniger wahrscheinlich.

Sämtliche Handlungskriterien sowie die Kommunikation seitens YouTube bleiben dabei stets vollkommen nichtssagend und intransparent. Man habe eben gegen die Nutzungsbedingungen der Plattform verstoßen. Hatespeech. In welcher Form? An welcher Stelle des Videos? Wurde gar ein Beitrag, potentiell gesetzwidrig, aufgrund von religiöser Überzeugung, politischer Weltanschauung oder sexueller Orientierung gelöscht? Was soll dieses „Hatespeech“ überhaupt sein? All dies bleibt im vagen. Natürlich bietet sich einem Kanalbetreiber die Möglichkeit, solche Fragen vor Gericht zu diskutieren. In der Praxis allerdings stehen diesem Ansinnen einige entscheidende Widerstände entgegen.

Zunächst einmal nimmt so gut wie niemand den zeitlichen und finanziellen Aufwand in Kauf, den es bedeuten würde, ein einzelnes Video reaktivieren zu lassen. Der monetäre wie auch der inhaltliche Wert eines durchschnittlichen Videobeitrags liegen deutlich unterhalb des Ressourcenbedarfs im Klagefall, weshalb diese Option, wenn überhaupt, dann eher im Falle der Löschung des Gesamtkanals erwogen wird. Dies allerdings setzt die Preisgabe der eigenen Anonymität voraus, welche sich nicht wenige alternative Videoersteller bewahrt haben. Die potentiellen Konsequenzen einer solchen Demaskierung sind mittlerweile wohl hinlänglich bekannt und reichen von Jobverlust über Vandalismus bis hin zu Übergriffen. Nach Bilanzierung dieser Risiken kommen viele zu dem Schluß, daß sich ein Gerichtsgang nicht lohnt.

Unklarer YouTube-Algorithmus

Doch wie bereits erwähnt, repräsentiert die Kanallöschung nur die letzte Instanz in einem deutlich weiter reichenden Prozeß, dessen Kern der YouTube-Algorithmus darstellt. Wie dieser Algorithmus im Detail funktioniert, ist ein Firmengeheimnis. Es bleibt unklar, welche Parameter ihm zu Grunde liegen und welche Kriterien er berücksichtigt, um Videoinhalte den Plattformbesuchern vorzuschlagen. Wie verteilt er die Werbung, aus denen sich die Einnahmen sowohl der Website, als auch der Videoersteller generieren auf die einzelnen Videos?

Allerdings läßt sich der Effekt einer Änderung bei Zeiten recht eindeutig nachweisen. Die untere Abbildung zeigt die täglichen Aufrufzahlen eines auf meinem Kanal hochgeladenen Beitrages, welcher sich kritisch mit der Asylpolitik dieses Landes auseinandersetzt. Klar zu erkennen ist der abrupte Abfall einer über viele Monate hinweg stabil verlaufenden Kurve. Eine so plötzliche Entwicklung kann nicht durch das über die Zeit hinweg organisch abnehmende Interesse der Zuschauer an einem Thema erklärt werden. Sie ist aller Wahrscheinlichkeit nach durch eine Verminderung der Verteilungspriorität dieses Videos bedingt. Womit sich die Frage ergibt: Wenn Beiträge wie dieser in der Gunst der Webseite gefallen sind, welche sind gestiegen?

YouTube-Algorithmus
Zugriffe auf ein Video des Schattenmachers: YouTube-Algorithmus sorgt für veränderte Sichtbarkeit

In Deutschland lautet die Antwort: Vermutlich vor allem jene Videos des öffentlich-rechtlichen Kanalnetzwerkes „Funk“ sowie die Telemedienerzeugnisse großer Verlags- und Sendeanstalten. Alternative politische Videoproduzenten scheinen sowohl was die Monetarisierbarkeit ihrer Beiträge anbelangt als auch in Hinsicht auf deren Priorisierung bei der Verteilung gegenüber etablierten Marken benachteiligt zu werden – womöglich sogar unabhängig ihrer Gesinnung. Ob aus Opportunismus der Macht gegenüber, oder auch deshalb, weil ein Algorithmus leichter zwischen groß und klein, als zwischen progressiv und reaktionär unterscheiden kann: YouTube stützt die Akteure des Status Quo, im Falle Funks allerdings bewegen sich diese immer schneller nach links.

Werbung macht nur noch kleinen Teil aus

Eine der unmittelbaren Konsequenzen dieser Verschiebung liegt zum Beispiel in der verstärkten Erschließung neuer Finanzierungswege. Viele unabhängige Videoproduzenten bestreiten mittlerweile nur noch einen kleinen Prozentsatz ihrer Einnahmen durch den Werbeanteil, welcher ihnen durch YouTube eingeräumt wird. Hauptsächlich finanziert werden sie durch Spenden, die ein Teil ihrer Zuschauer ihnen mittels Dienstleistern wie Patreon oder Paypal zukommen läßt. Selbstredend sind auch Konten bei diesen Unternehmen chronisch gefährdet, aus politischen Gründen gelöscht zu werden.

Realistische Alternativen zu diesen Onlinediensten oder YouTube selbst gibt es dabei leider kaum. Effektivität und Finanzierbarkeit politischer Arbeit im Internet sind eine Frage des Volumens und dieses bieten nur die Marktführer. Bisher haben sich alternative Plattformen wie Bitchute einzig zur Kontaktwahrung mit dem harten Kern der eigenen Gefolgschaft im Falle der Kanallöschung als nützlich erwiesen. Soziale Medien sind aber eben nur dann erfolgreich, wenn sie tatsächlich sozial sind. Sie müssen also allen Menschen (fast) alles anbieten können, was sich in einer bestimmten Nische der Darstellbarkeit anbieten läßt, genauso wie die Stärke von Onlinebezahldiensten wie Paypal in der breiten Akzeptanz dieser Zahlungsoption besteht.

Der Durchschnittsmensch ist (zunächst) weder übermäßig politisch aktiv, noch ist er dazu bereit, große Hürden zu nehmen, um einem Videoproduzenten seine Spende zukommen zu lassen. Wer also nicht repräsentiert ist auf jener Plattform, auf welcher auch Filmtrailer, Let’s plays, Schminkvideos und Fitneßlifestyle vertreten sind und wer nicht bezahlbar ist mit einer App, die auch beim Lieferservice, beim Onlinewarenhaus und beim Uberfahrer funktioniert, der findet medial nicht statt. Zumal andere Anbieter von Onlinevideos aufgrund der mangelnden Relevanz kaum an die Übertragungsgeschwindigkeit von YouTube heranreichen.

Wie kann die Situation verbessert werden?

So bleibt dann im Angesicht dieser schwierigen Verhältnisse die Frage, was getan werden kann zur Verbesserung der Situation. Bezahldienste wie Paypal dazu verpflichten, nur noch auf Basis von finanziellen Argumenten Konten löschen zu dürfen? Jedem Bundesbürger eine Garantie wenigstens auf das Zugangsrecht zu den Marktführerplattformen ausstellen und Kontensperrungen abhängig machen von Verstößen gegen das deutsche Gesetz, nicht von der willkürlichen Interpretation sich ständig ändernder Geschäftsbedingungen?

Aus Sicht eines Videoerstellers am Boden sind dies sicher keine schlechten Ansätze. Zur Zeit allerdings wären es Reformen, für die auf Seiten etablierter Parteien, allen voran der CDU, kein politisches Interesse besteht. Daß gar eine umfassende, im 21. Jahrhundert womöglich notwendig werdende Grundsatzreform für die Kontrolle und Regulierung von Algorithmen schlechthin auf den Weg gebracht wird, scheint noch zweifelhafter, allein aufgrund der technischen Komplexität dieser Fragestellung. Und selbstredend bliebe es äußerst fraglich, ob eine solche Neuerung unter Federführung der bestehenden Administration nicht mehr ruinieren als retten würde.

Meiner Einschätzung nach kann dennoch sehr viel mehr getan und erreicht werden, als in Untätigkeit auf Gesetze zu hoffen, die vielleicht niemals verabschiedet werden. Die AfD als Partei, welche wie keine andere profitiert vom alternativen Mediensegment, muß ihrer Verantwortung und ihren Möglichkeiten gerecht werden und selbst deutlich stärker als Lobbyist und Partizipant in diesem Wettstreit auftreten. Dies mag im Parlament geschehen, vor allem aber muß sich Widerstand etablieren auf den Plattformen selbst. Nehmen wir als Beispiel den YouTube-Kanal des Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio: 90.000 Abonnenten, über 300 veröffentlichte Videos mit insgesamt 20 Millionen Zugriffen. Damit kann er deutlich mehr Aufrufe verzeichnen als die meisten anderen deutschen Politiker, sofern sie denn überhaupt eine solche Medienpräsenz besitzen.

AfD als protektives Schutzschild

Parteinahe Kanäle wie dieser besäßen in größerer Zahl und mit noch stärkerer Präsenz durchaus das Potential, in vielerlei Hinsicht dem ganzen alternativen Lager gegenüber eine protektive Funktion einzunehmen. Diese bestünde bereits in der Tatsache, daß die Öffentlichkeitsarbeit einer Partei über weitreichendere finanzielle und rechtliche Mittel verfügt, sich gegen die Gängelung der Plattformbetreiber zu behaupten, als es für Privatpersonen der Fall ist. Insbesondere aber böte sich ihr als Argument, diese Behinderung von Parteiarbeit direkt als Manipulation des demokratischen Prozesses schlechthin anzuprangern. Damit würde ein klarer Widerspruch zwischen dem Gebaren der Plattformbetreiber und den propagierten Prinzipien und rechtlichen Überzeugungen unserer Gesellschaft offengelegt werden.

Auf diese Weise ließe sich der Rahmen des Sagbaren effektiver stabilisieren oder sein Verschieben zumindest kostspieliger gestalten als es durch unabhängige YouTuber alleine je möglich wäre. Überdies böte sich so die Gelegenheit, nicht nur das Band zwischen rechtem Parlamentarismus und politischem Vorfeld auf sehr organische Weise zu festigen, sondern auch die direkte Kommunikation zwischen AfD und Volk auszubauen, jenseits des verzerrenden Einflusses der Mainstreammedien. Keine bestehende deutsche Partei hat bisher ein starkes, vielseitiges Profil auf YouTube entwickeln können, ein Profil welches weit über die unmittelbare Weitergabe politischer Inhalte hinausgehen könnte. Die Konkurrenz ist also gering und die Einstiegskosten überschaubar. Gäbe es mehr junge Parteimitglieder, die sich mit Unterstützung der Mutterorganisation über lange Zeiträume konsistent und fernab der oberflächlich-seelenlosen Professionalität des übrigen Politikbetriebes auf Plattformen wie YouTube etablieren würden, dann wäre dies sicher ein für alle beteiligten gewinnbringender. Vor allem aber wäre es ein durch Eigeninitiative erreichbarer Meilenstein.

Noch steht dieses Zeitfenster offen. Werden allerdings keine Maßnahmen getroffen, ist davon auszugehen, daß sich der jetzige Trend der informellen Zensur weiter fortsetzen wird und die auf YouTube Aktiven irgendwann zur schönen deutschen Tradition der Fabel zurückkehren müssen, um im freiesten Deutschland, das es jemals gab, noch politisch kommentieren zu können. Bis dahin bleibt uns wie jeder bedrängten Opposition nur auf die Realität zu hoffen. Und darauf, daß wir jenes, was nicht verschwindet, wenn der Glaube daran erlischt, besser abzubilden und nutzbar zu machen wissen, als die bestehende Macht es vermag.

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„Der Schattenmacher“ betreibt seit 2015 einen eigenen YouTube-Kanal, der mittlerweile zu den reichweitenstärksten im rechten Lager gehört. Seine Videos widmen sich sowohl aktuellen Geschehnissen als auch metapolitischen Inhalten. Aufgewachsen in einer ländlichen Region, schlug er früh eine klassisch akademische Laufbahn ein. Mittlerweile arbeitet er an einem Institut für Grundlagenforschung. Öffentlich tritt er wie viele seiner YouTube-Kollegen aus Angst vor Repression nicht auf.

Teil 1 finden Sie an dieser Stelle.

Beeinflußt der YouTube-Algorithmus die Nutzerzugriffe? Foto: picture alliance / Zoonar | Kheng Ho Toh
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