Die Fußballbundesligasaison neigt sich dem Ende zu. Doch statt der ausstehenden sportlichen Entscheidungen dominieren die angeblichen Rassismusskandale die Schlagzeilen. An gefühlt jedem Spieltag wird irgendeine Interviewaussage von besonders aufmerksamen Zeitgenossen zum Vorwand genommen, um einem Spieler oder Trainer „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zu unterstellen.
Wie hysterisch das abläuft, durfte jetzt auch der farbige Ex-Profi und TV-Experte Dennis Aogo erfahren. War er Mittwoch noch das Quotenschwarzer“-Opfer von mittlerweile Ex-Hertha-BSC-Aufsichtsrat Jens Lehmann, steht er jetzt selbst unter Beschuß.
Aogo hatte am Dienstag in einer Spielanalyse zum Champions League Spiel zwischen Paris und Manchester über die Leistung der Engländer gesagt: „Es ist einfach unglaublich schwer, sie zu verteidigen. Weil, davon gehe ich aus, sie das trainieren bis zum Vergasen.“
Aogo hätte Größe zeigen können
Pikant ist an der Angelegenheit, daß Aogo in derselben Nacht – kurz nach seinem „Vergasen“-Spruch – die offensichtlich versehentlich an ihn gegangene Chat-Nachricht von Lehmann veröffentlichte und diesen damit zum Abschuß freigab.
Einem Medienprofi, der vor einem Millionenpublikum als TV-Experte auftritt, dürfte klar sein, was die Veröffentlichung so einer verbalen Fehlleistung auslöst. Lehmann hat inzwischen nicht nur seinen Aufsichtsratsposten bei Hertha BSC Berlin verloren, sondern wird auch künftig nicht mehr von Sky als Experte eingeladen, wie der Sender bereits bekannt gab.
Die üblichen Trittbrettfahrer waren auch gleich zu Stelle. So traten noch ehemalige sportliche Weggefährten von Lehmann verbal nach oder nutzen die Gelegenheit, sich als Anti-Rassismushelden in Pose zu werfen.
Daß sich Aogo inzwischen per Videobotschaft äußerte und sagte, er habe die Entschuldigung von Lehmann angenommen und man werde sich demnächst treffen, um das Ganze nochmal zu bereden, klingt vor dem Hintergrund gönnerhaft. Es hätte von Größe gezeugt, ohne die Veröffentlichung und die dadurch erfolgte öffentliche Hinrichtung Lehmanns mit diesem im Privaten das Gespräch zu suchen.
Ein falscher Klick kann die Karriere beenden
Ob Aogo selbst seinen Job bei Sky verlieren wird, hängt wohl davon ab, wie hoch die Wellen der Empörung über die „Vergasen“-Aussage noch schlagen. Zur Schadensbegrenzung wählte er schon den Weg via Bild und gab sich geknickt. „Dieses Wort darf man selbstverständlich in überhaupt keinem Zusammenhang verwenden. Das war ein großer Fehler, ich kann mich dafür nur aufrichtig entschuldigen.“
Der Fall Lehmann-Aogo zeigt ebenso wie der Rauswurf des Eishockeytorwarts Thomas Greiss aus der Nationalmannschaft wegen angeblich rechter Beiträge in den sozialen Medien, der Aufregung um eine harmlose Äußerung von Köln-Trainer Friedhelm Funkel oder der Entlassung des Hertha-Torwart-Trainers Zsolt Petry, unter welch scharfer ideologischer Beobachtung der Sport steht. Ein falscher Klick auf Instagram und Co. kann die Karriere beenden, jede Interviewäußerung sollte dreimal politisch analysiert und durchdacht werden, bevor sie den Mund verläßt.
„Rassisten-Schnüffelei“ ist spannender als Bundesliga
Wer als Profisportler oder Funktionär schlau ist, wird in Zukunft am Besten gar nichts mehr sagen, sondern nur noch Pressemitteilungen verschicken. Die sind idealerweise vom vereinseigenen Gleichstellungs- und Integrationsteam geprüft.
Andererseits: Angesichts der bevorstehenden neunten Meisterschaft des FC Bayern München in Serie bietet das Schauspiel der streberhaften „Rassisten-Schnüffelei“ neben dem Fußballplatz immerhin noch ein bißchen Abwechslung und Spannung. Und wer weiß: Vielleicht kann man in der kommenden Saison bei Wettanbietern wie Tipico und Co. auch schon auf Rauswürfe auf Grund von Chatnachrichten und Interview-Sprüchen wetten.