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ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika“: Antirassistische Agenda mit Zuckerguß

ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika“: Antirassistische Agenda mit Zuckerguß

ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika“: Antirassistische Agenda mit Zuckerguß

Finden der schwarze US-Soldat und das "Fräulein" zueinander? Szene aus "Ein Hauch von Amerika" Foto: Screenshot / ARD Mediathek
Finden der schwarze US-Soldat und das "Fräulein" zueinander? Szene aus "Ein Hauch von Amerika" Foto: Screenshot / ARD Mediathek
Finden der schwarze US-Soldat und das „Fräulein“ zueinander? Szene aus „Ein Hauch von Amerika“ Foto: Screenshot / ARD Mediathek
ARD-Serie „Ein Hauch von Amerika“
 

Antirassistische Agenda mit Zuckerguß

In klarer Rollenverteilung will die ARD-Miniserie „Ein Hauch von Amerika“ dem Zuschauer zeigen, wie rassistisch auch die deutsche Nachkriegszeit war. Dabei kommen weder die Deutschen noch weiße US-Soldaten gut weg. Durchgängig gut ist hingegen der schwarze Protagonist. Eine TV-Kritik.
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„Ein Hauch von Amerika“, unter diesem Titel präsentiert die ARD ab heute einen Mehrteiler, der zeigen soll, wie die Amerikaner „Anfang der 50er Jahre Aufbruch, individuelle Freiheit und Freizügigkeit in den Westen Deutschlands brachten“. Das klingt schon eingangs wie die üblich gewordene Befreiungspropaganda des bundesdeutschen Staatsfunks, die negative Aspekte der deutschen Kriegsniederlage und des folgenden brutalen Besatzungsregimes gerne totschweigt oder mit Zuckerguß überzieht.

Der Zuschauer wird in dieser Hinsicht wahrlich nicht enttäuscht. Allerdings kriegt darüber hinaus bemerkenswerterweise auch die US-Gesellschaft der fünfziger Jahre einen deutlichen Tritt vor das Schienbein.

Die Miniserie spielt 1951 in der fiktiven Stadt Kaltenstein, die allerdings erkennbar in der Pfalz angesiedelt ist. Man kann in ihr die entstehende Luftwaffenbasis Ramstein sehen. Der veränderte düstere Stadtname ist Programm und die Handlungsmotive sind klar verteilt. Deutsche sind rückständig, Amerikaner modern. Deutsche sind – mit Ausnahme der schönen Protagonistin – entweder nazibelastet oder kriegstraumatisiert. Selbstverständlich wohnen sie auch in Häusern, die einst Juden gehört haben.

Vorspann warnt Zuschauer vor diskriminierender Sprache

Allerdings gibt es zusätzlich eine weitere Rollenverteilung. Weiße neigen im Film ganz allgemein zu Gewalt und sind mit Vorsicht zu genießen, ob es nun Amerikaner oder Deutsche sind. Farbige dagegen werden generell unterdrückt, gut, ehrlich, friedlich und verliebt dargestellt. Die handlungstechnisch anscheinend notwendige und filmisch in zäher Länge herbeigeführte sexuelle Gewalttat wird also ohne jede Überraschung von Weißen begangen. Diese versuchen später, sie einem Farbigen anzulasten, dem man ernsthaft den Filmnamen George Washington gegeben hat; auf daß kein Zweifel bleibe, wie sehr er für die gute Sache stehe.

Unter diesen Vorgaben trieft der Film geradezu von einer bemüht antirassistischen Agenda. Man treffe im Folgenden auf diskriminierende Sprache und Gewohnheiten, die früher üblich gewesen seien und die es heute noch gebe, heißt es im Vorspann jeder einzelnen Folge. Auf geistigen Tiefgang, Humor, Wortwitz, dramaturgische Überraschungen und eine halbwegs originelle Kameraführung glaubte man dagegen wohl verzichten zu können.

Das gilt in erstaunlichem Ausmaß auch für historisch greifbare Bezüge. Obwohl die Handlung in der Pfalz angesiedelt ist, spricht niemand Dialekt. Die vorgestellte Brauttracht erinnert eher an baltische als an südwestdeutsche Traditionen, die bundesdeutsche Politik oder das einsetzende Wirtschaftswunder kommen so gut wie nicht vor. Einen kurzen Einblick in die eigentümlichen Freiheiten des amerikanischen Besatzungsregimes gibt allenfalls der Satz des Standortkommandanten, er könne den Bürgermeister unter diesen Umständen nicht mehr halten.

Amerikaner sorgten sich um Glaubwürdigkeit

Dabei wäre die reale historische Vorlage recht spannend gewesen. In der Tat hatte die US-Army bei ihrem Einmarsch in Deutschland ein Problem mit der Einteilung der Aufgaben nach Hautfarbe. Der Einsatz in Kampfeinheiten war so gut wie ausschließlich Weißen vorbehalten, Schwarze zogen eher mit dem Troß. Im US-Hauptquartier in Wiesbaden kamen sie ebenfalls nicht vor. Dort befürchtete man denn auch negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit gegenüber den Deutschen, die man schließlich gleichzeitig des Rassismus anklagte.

Diese blieben allerdings weitgehend aus. Andererseits spielten die in Deutschland gemachten Erfahrungen vieler Schwarzer eine beachtliche Rolle in der Ausformung der späteren US-Bürgerrechtsbewegung. Man hatte an der Herrschaft über Weiße teilgenommen, wenn auch meist als niedere Charge. Da stellte sich manche Frage zu Hause ganz neu.

Regie führte in der Serie Dror Zahavi, ein Name, der nicht jedem etwas sagen wird. Der seit Jahrzehnten in Deutschland lebende und arbeitende Israeli Zahavi steht aber als Regisseur hinter vielen laufenden Produktionen des Öffentlichen Rundfunks, darunter etliche „Tatorte“. Den seit Jahren anhaltenden Trend zur platten Pädagogisierung dieser Filmreihe wickelt er auch in „Ein Hauch von Amerika“ routiniert ab. Es fehlt jedoch ein Hauch von Niveau.

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„Ein Hauch von Amerika“ startet am 1. Dezember um 20.15 Uhr in der ARD. Alle sechs Folgen der Miniserie sind bereits in der Mediathek zu sehen. 

Finden der schwarze US-Soldat und das „Fräulein“ zueinander? Szene aus „Ein Hauch von Amerika“ Foto: Screenshot / ARD Mediathek
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