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Niedergang einer Volkspartei: Kellner bei den Grünen

Niedergang einer Volkspartei: Kellner bei den Grünen

Niedergang einer Volkspartei: Kellner bei den Grünen

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Grünen-Chefin Annalena im Bundestag (mit Angela Merkel im Hintergrund) Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Niedergang einer Volkspartei
 

Kellner bei den Grünen

Die CDU steckt in einer Existenzkrise. Nach zwei Jahrzehnten unter der Führung von Angela Merkel geht die Partei denselben Weg wie die SPD: Sie wird abhängig davon, ob die anderen sie noch mitregieren lassen. Für einen Kurswechsel fehlen jedoch konsequent vertretene Inhalte und das richtige Personal. Ein Kommentar.
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Der Absturz bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz signalisiert eine Existenzkrise der Union. Zum Regieren wird sie nicht mehr gebraucht. Die Umfragen im Bund schreiben den Trend fort: Der Abstand zu den Grünen schrumpft, linke Mehrheiten ohne die Union rücken in greifbare Nähe. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder wittert „Wechselstimmung“ und warnt, es gebe „kein Abo der Union mehr auf die Kanzlerschaft“. Und mit der Macht drohen die Unionsparteien den Kitt zu verlieren, der sie noch zusammenhält.

Die Dialektik des Zerfalls steckt voller Ironie. Mit der stimmungsdemokratischen Anbiederung an den medial verhätschelten grün-linken Zeitgeist hat die Union sich selbst die Existenzgrundlage entzogen. Der Verfall der einstigen Regierungs-Abo-Partei CDU in Baden-Württemberg ist ein Paradigma für die gesamte Union: Wer sich zum Kellner der Grünen degradiert, macht sich am Ende überflüssig und austauschbar. Mit zeitlicher Verzögerung geht die CDU den Weg der SPD – sie wird abhängig davon, ob die anderen sie noch mitregieren lassen, heute im Südwesten und vielleicht schon im Herbst auch auf Bundesebene.

Natürlich hat der Zustimmungsverlust der Unionsparteien zunächst tagespolitische Auslöser. Die medial genußvoll ausgebreiteten Korruptionsaffären, von Aserbaidschan-Schmiergeldern bis Masken-Provision, sind blankes Umfrage- und Wählergift, das bei den Landtagswahlen wegen des hohen Briefwähleranteils noch gar nicht voll zur Wirkung kam. Und der Vertrauensverlust durch das inkonsistente Corona-Management und das Scheitern des selbstgesteckten Ziels einer schnellen und erfolgreichen Impfkampagne ist so nachvollziehbar wie verdient.

Opportunisten und Karrieristen

Die Vorstellung, durch rasches Bekämpfen dieser Symptome und verschärften Maßnahmen-Aktionismus den Herrschaftszerfall aufhalten und Glaubwürdigkeit wiederherstellen zu können, ist ein Akt der Verzweiflung und ein doppelter Trugschluß. Maskenskandal, Corona-Chaos und Impfdebakel sind keine Betriebsunfälle, sondern wurzeln ebenso wie der desolate Gesamtzustand der Union in den Folgeschäden von zwei Jahrzehnten Merkelismus.

Merkels Taktik der „asymmetrischen Demobilisierung“ setzt auf die Neutralisierung politischer und programmatischer Gegensätze durch Vereinnahmung. Das hat die SPD inhaltlich ausgesaugt, aber auch ihre eigene Partei entkernt und zerstört, während die gesellschaftliche Macht der Grünen als Taktgeber und Inhaber der kulturellen Hegemonie kontinuierlich angewachsen ist bis zu einem Punkt, an dem sich die Grünen-Vorsitzenden Aussichten auf das Kanzleramt ausmalen können.

Die CDU, von Merkel als Partei mit intakter Basisverankerung und unterschiedlichen Strömungen und Flügeln übernommen, ist unter ihrer Dominanz zur feudalistischen Kaderpartei geworden, in der Gehorsam und Linientreue mit Privilegien und Pfründen belohnt werden. Gewiß, eine in ideologischen Fragen biegsame und pragmatische Machtmaschine war die Union auch schon zu Kohls und Straußens Zeiten; und wo Macht verteilt wird, sind Mißbrauch und Bereicherung stets und überall nicht weit. Doch wo es weder für Bauern noch für Mittelständler, weder für Bewahrer und Verfechter der inneren und äußeren Sicherheit noch für Christlich-Konservative oder heimatverbundene Patrioten noch überzeugende Anknüpfungs- und Identifikationspunkte gibt, wird der Opportunist und Karrierist zum vorherrschenden Typus.

Schwerer noch als die Deformierung der eigenen Partei wirkt die Zerstörung der ökonomischen, gesellschaftlichen und rechtsstaatlichen Fundamente des Nationalstaats der Deutschen. Im System Merkel werden Probleme und Konflikte nicht gelöst, sondern verbal und finanziell verschleiert, Entscheidungen vertagt oder an Wohlfühl-Beifall ausgerichtet, in mediale Blasen verlagert und aus den demokratisch legitimierten Institutionen in der Kontrolle entzogene Parallelgremien verlagert.

Ein fundamentaler Neuanfang ist nicht zu erwarten

Mit Euro-„Rettung“, Transfer- und Schuldenunion, der Öffnung für unkontrollierte Einwanderung oder der Zerstörung industrieller Strukturen durch Atomausstieg, Energiewende und „Klimaschutz“-Dirigismus ist die Kanzlerin dank massiver Propaganda-Begleitmusik auch deswegen bislang durchgekommen, weil die enormen Folgelasten nicht sofort auf die Bürger durchschlagen. In der Corona-Krise, die einer wachsenden Zahl von Bürgern schon jetzt drückende Lasten auferlegt, gerät diese Methode, die Problemen mit Symbolpolitik und rhetorischen Vorhängen begegnet und mit Drohungen der „Alternativlosigkeit“ Gefolgschaft erzwingen will, an ihre Grenzen.

Ein derart auf eine Person ausgerichtetes Herrschaftssystem wirft im Niedergang die Frage auf, was aus seinen Günstlingen und Profiteuren nach einem möglichen Machtwechsel werden soll, wenn es denn in diesem Jahr tatsächlich noch zu einer Bundestagswahl kommt. Die daraus folgenden Diadochenkämpfe haben durchaus das Potential, die Union nachhaltig zu lähmen oder gar zu zerreißen. Auch Merkels mediale Prätorianergarde, vorweg der mächtige öffentlich-rechtliche Rundfunk, wird sich nach neuer Patronage unter denen umsehen, die der ideologischen Disposition der Mehrzahl seiner Akteure ohnehin näher stehen.

Schneller als gedacht könnten CDU und CSU sich so, ähnlich der SPD, in der Rolle des geduldeten Steigbügelhalters und linken Mehrheitsbeschaffers wiederfinden. Dieses Schicksal abzuwenden verlangt mehr als bloß die Auswechselung einiger Führungsfiguren. Ein derartig fundamentaler Neuanfang ist freilich weder von Bayern-Chef Markus Söder noch vom neuen Parteivorsitzenden Armin Laschet zu erwarten.

JF 14/21

Grünen-Chefin Annalena im Bundestag (mit Angela Merkel im Hintergrund) Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
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