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Gebrauchsanweisung zur Realitätsverweigerung: Von Studenten, die lieber Studierende sein wollen

Gebrauchsanweisung zur Realitätsverweigerung: Von Studenten, die lieber Studierende sein wollen

Gebrauchsanweisung zur Realitätsverweigerung: Von Studenten, die lieber Studierende sein wollen

Studenten während einer Vorlesung Foto: picture alliance/dpa
Gebrauchsanweisung zur Realitätsverweigerung
 

Von Studenten, die lieber Studierende sein wollen

Es war einmal in einem weit entfernten Deutschland eine Studentenschaft, die noch etwas lernen wollte. Sie wurden vom Wissensdurst statt von Selbstinszenierung getrieben und hätte der Zensur den Vogel gezeigt, statt sie selbst zu fordern. Heute ist das anders. Von Zita Tipold.
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Es war einmal in einem weit entfernten Deutschland eine Studentenschaft, die noch etwas lernen wollte. Sie wurden vom Wissensdurst statt von Selbstinszenierung getrieben und hätte der Zensur den Vogel gezeigt, statt sie selbst zu fordern. Heute ist das anders. Politische Themen sind an deutschen Universitäten zwar immer noch präsent, doch gestritten wird nur noch über Details. Bei den großen Fragen hingegen ist man sich einig: Wir sind eine diskriminierende, rassistische Gesellschaft und viel zu weiß.

Auch Studenten – pardon – „Student*innen“, der Hochschule Fulda führen in ihrem Uni-Podcast gern Scheindebatten und kauen im moralischen Eifer doch nur wieder, woran sich Politik und Medien schon längst abgearbeitet haben. Zum Beispiel über geschlechtergerechte Sprache, Haßrede im Internet oder die Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland. Eine weitere Folge trägt den Titel „Gebrauchsanweisung gegen Populismus“. Um das besagte Thema zu erklären, ziehen sie zunächst eine Definition des Politikwissenschaftlers Jan-Werner Müllers heran, nach der Populismus eine „moralisch aufgeladene Polarisierung“ und zudem eine „anti-elitäre“ Haltung sei.

Menschen, die sich dieses Politik-Stils bedienten, vereinfachten komplexe Themen. Zudem würden Populisten ein Weltbild konstruieren, in dem sie gegen „erfundene“ Feinde kämpfen müßten. Der Begriff ist schwammig und wäre eigentlich auf allerlei Gruppen, unabhängigen von ihrem Platz im politischen Spektrum, übertragbar.

Klage über Schwarz-Weiß-Denken

Doch die Sozial- und Kulturwissenschaftsstudenten wissen es besser: Das von ihnen Beschriebene ist für sie mehr als ein Politikstil, es ist eine Strömung. Und schon schlägt die theoretische Auseinandersetzung in konkrete Anschuldigungen um: Die AfD sei populistisch, FPÖ sowie Lega Nord und Front National natürlich auch. Und nicht zu vergessen: Donald Trump.  Dabei folgen mal wieder Vorwürfe, die man genauso gut der Gegenseite machen könnte. Zum Beispiel blockiere die AfD den demokratischen Austausch, dabei ist doch eben jene Oppositionspartei, die am seltensten zu Diskussionsrunden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeladen wird.

Zudem sei sie populistisch, weil sie ein schwarz-weißes Menschenbild erschaffe. Aber waren es nicht „Black Lives Matter“-Anhänger, die jüngst ein buchstäbliches Schwarz-Weiß-Bild inszenierten, in dem jeder Dunkelhäutige ein Unterdrückter und jeder Weiße ein Unterdrücker sein sollte? Genau genommen haben sich die Podcast-Gestalter noch nicht einmal mit dem Begriff Populismus intensiv beschäftigt, denn sie verwenden ihn ausschließlich als Negativ-Zuschreibung.

Dabei haben sich auch schon Idole der Linksliberalen eines populistischen Politikstils bedient und wurden von ihnen dafür gefeiert. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alexander Gauland, machte darauf aufmerksam, daß auch Obamas „Yes We Can“-Wahlspruch und Bundeskanzlerin Angela Merkels (CDU) Entscheidung für den Atomausstieg populistisch waren. „Wer heute Populist genannt wird, soll diskreditiert werden“, merkte er an. 

„Woher kommst du?“ – blanker Rassismus!

Diskriminierend sind Sie laut den Fuldaer Studenten übrigens auch, wenn Sie es wagen, das Wort „Hottentotten“ in den Mund zu nehmen oder jemanden fragen, woher er kommt. Denn damit fördern Sie angeblich Rassismus. Die Podcast-Folge „Rassismus und die Macht der Sprache“ wurde von Teilnehmern des Seminars „kulturreflexives Sprechen“ gestaltet. In einem Perspektivenwechsel inszenieren sie ein Gespräch zwischen einer weißen und einer dunkelhäutigen Person. Die völlig normal erscheinende weiße Frau wird darüber aufgeklärt, daß sie sich vermeintlich diskriminierend ausdrücke.

Jeder Satz wird auf die Goldwaage gelegt. Zum Beispiel sei es rassistisch, eine dunkelhäutige Person nach ihrer Herkunft zu fragen, denn damit erkenne man sie nicht als vollwertigen Teil der deutschen Gesellschaft an. Bei der Frage sei die Absicht übrigens völlig überflüssig, nur die Wirkung auf das Gegenüber zähle, denn, so die Studenten, wenn man jemanden anfahre, dann sei es ja auch irrelevant ob dies aus Versehen geschehen sei, das Opfer habe dennoch Schmerzen. Wer diesem Denkansatz auf Kindergarten-Niveau nicht zustimmt, macht sich verdächtig.

Deutsche seien rassistisch sozialisiert

Denn wir Deutschen seien in einem rassistischen System sozialisiert worden und daher auch bestimmte Denkstrukturen gewöhnt. Zum Beispiel verbreiteten Medien falsche Vorurteile, weil sie Afrika meist in Verbindung mit Hunger, Armut und Krieg brächten. Offensichtlich haben die Podcast-Ersteller nicht ganz begriffen, daß das Land Wakanda aus dem Marvel-Comic-Universum nur fiktiv ist.

Auch Unternehmen seien rassistisch, denn Pflaster und Make-Ups seien nicht für Menschen mit einer dunklen Hautfarbe gemacht. Die Möglichkeit, daß dies auch mit dem Prinzip von Angebot und Nachfrage zusammenhängen könnte, lassen die Studenten völlig außen vor.

Für sie ist klar: Wir leben in einer diskriminierenden Gesellschaft und müßen uns künftig dreimal überlegen, ob wir uns nicht gerade falsch ausdrücken. Für Fuldaer Studenten muß sich die deutsche Sprache von unliebsamen Begriffen, am liebsten ganzen Sätzen, verabschieden. Schluß mit Hottentotten, Mohrenköpfen und „woher kommst du“.

Und wenn sie nicht ermüdet sind, belehren sie noch heute.

Studenten während einer Vorlesung Foto: picture alliance/dpa
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