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Werbeverbot für Abtreibungen: Auf dem Weg in die Selbstmord-Republik

Werbeverbot für Abtreibungen: Auf dem Weg in die Selbstmord-Republik

Werbeverbot für Abtreibungen: Auf dem Weg in die Selbstmord-Republik

schwangere Frau
schwangere Frau
Schwangere Frau mit Kind Foto: picture alliance/PhotoAlto
Werbeverbot für Abtreibungen
 

Auf dem Weg in die Selbstmord-Republik

In der Debatte um die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen hat die Union einmal mehr bewiesen, wie bereitwillig sie einstige Kernpositionen opfert. Die Aushöhlung des Paragraphen 219 ist nur noch eine Frage der Zeit. Dabei wäre es die Aufgabe der Politik, ein Bewußtsein für den Wert des Lebens und das Unrecht von Abtreibung zu schaffen. <>Ein Kommentar von Jürgen Liminski.<>
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Das Feigenblatt ist fast durchsichtig. Bei genauerem Hinsehen ist es eine Klarsichthülle mit einem dünnen Blatt drin. Indem die Fraktionsspitze der Union den GroKo-Kollegen von der SPD zugestand, noch vor der Unterschrift unter den Koalitionsvertrag einen Gesetzentwurf einzubringen, der das Werbeverbot für Abtreibung abschaffen sollte, wäre das letzte dünne Blatt aus der Klarsichthülle entfernt worden.

Auf ihm stand „Würde und christliches Menschenbild“, ein Begriffspaar, das die GroKo-Partner nur vage kennen und das die führenden Bundestagskollegen von der CDU wieder verraten wollten. Mit diesem klammheimlichen Deal – nach der Unterschrift wäre es ein Bruch des Vertrags gewesen – wäre das Thema Werbeverbot abgehakt gewesen, so wie man das Thema „Ehe für alle“ vom Sofa aus beseitigt hatte. Damit hätte die Unionsspitze beim Lebensschutz den kleinen Rest an Glaubwürdigkeit ohne Not aufgegeben, nur um Ärger zu Beginn des parlamentarischen Betriebs zu vermeiden.

Glut unter der Asche

Es kam etwas anders. Zunächst gab es ein paar empörte Wortmeldungen aus der Partei, ein Stirnrunzeln in der Bischofskonferenz. Dann einen Brief der neuen CDU-Generalsekretärin, in dem mit klaren aber folgenlosen Worten auf die Rechtslage und das christliche Menschenbild hingewiesen wurde. Da sind doch noch ein paar Stückchen Glut unter der Asche.

Und dann die Überraschung. Die SPD selbst zog ihren Entwurf vorläufig zurück. Jetzt wird vermutlich aus der Opposition ein Entwurf vorgelegt, vielleicht gab es sogar eine Absprache mit der SPD, und die GroKo wird die Abstimmung aus Gewissensgründen freigeben, so wie bei der „Ehe für alle“. Am Ergebnis dürfte sich nicht viel ändern, das Werbeverbot für Abtreibung wird ausgehöhlt, das Feigenblatt bleibt, aber es wird gläsern.

Die Diskussion über das Werbeverbot für Abtreibungen, die in den Leitmedien von links bis rechts allenfalls unter dem Gesichtspunkt der taktischen Parteipolitik geführt wurde – Stichwort: Präzedenzfall für wechselnde Mehrheiten – ist symptomatisch für den Zustand des allgemeinen Diskurses. Aufgeregt bis Hysterisch wird über Dieseltote und künftige Zölle, über richtige Ernährung und Annäherung an den Diktator in der Türkei, über imaginäre Masterpläne für die gescheiterte Asylpolitik oder auch über die Problemwölfe aus dem Osten diskutiert.

Täglicher Super-GAU

Das große Thema des Lebens und der demographischen Entwicklung in Deutschland und Europa, der Schutz der schwächsten Minderheit, die ungeborenen Kinder, mithin ein gutes Stück Zukunft dieses Landes, wird schon seit Jahren übergangen. Nun will der linksliberale Mainstream auch den letzten Rest an Schutz, das Werbeverbot für Abtreibung, schleifen.

Das ist wirklich spätrömische Dekadenz. Lust zählt mehr als Leben. Jeden Tag – auch heute – werden mehr als zehn Klassenzimmer ausgelöscht. Es ist ein täglicher Super-GAU, über den die Diskursmächtigen ein Tabu verhängt haben. In den öffentlich-rechtlichen Anstalten wird das Thema klinisch sauber entsorgt. Kinder werden als Störfaktor behandelt, als Problemfälle. Über die Zusammenhänge zwischen Liebe und Leben, zwischen Leben und Würde, zwischen Kindern, Zukunft und Glück liest, hört und sieht man nichts.

Das kann nicht ohne Folgen bleiben. Als die Debatte über Abtreibung kurz nach dem Krieg aufkam, als die Flammenbilder des Krieges noch im Gedächtnis loderten, da nannte der Religionsphilosoph Romano Guardini in einem kleinen Aufsatz die Kernforderung der Abtreibungsdebatte: „Die Achtung vor dem Menschen als Person gehört zu den Forderungen, die nicht diskutiert werden dürfen.“ Er fügte hinzu: „Die Würde, aber auch die Wohlfahrt, ja endgültigerweise der Bestand der Menschheit hängen davon ab.“ Werde die Achtung vor dem Menschen als Person „in Frage gestellt, dann gleitet alles in die Barbarei“.

Rückkehr in die Zivilisation der Würde

Wer für Abtreibung wirbt, ist ein Barbar. Er mag in einem weißen Kittel daherkommen oder mit Krawatte und in Nadelstreifen – geistig ist er verwahrlost, er hat den Bezug zur Wahrheit des Lebens verloren. Große Zivilisationen sterben nicht, sagt der Kulturhistoriker Arnold Toynbee, sie begehen Selbstmord. Festhalten an der Würde des Menschen, mehr Hilfen für schwangere Frauen in Not, Erleichterung für Adoptionen – das wären Wege aus der Selbstmord-Barbarei zurück in eine Zivilisation der Würde.

Würde kostet Mühe und Geld. Das wird man nur aufbringen, wenn man davon ausgeht, daß es eine Natur des Menschen gibt, daß der Mensch „creatura“ ist, über die der Creator, wie es im Buch der Weisheit steht, nur „mit großer Ehrfurcht“ verfügt. Das ist Kern des christlichen Menschenbildes. Deshalb ist die Würde unantastbar.

Aber von solchen Gedanken sind große Teile der Groko und der Opposition weit entfernt. Rot-rot-grüne Funktionäre marschieren in Berlin unter dem Banner der „Entkriminalisierung der Ärzte und Ärztinnen“ in die Selbstmord-Republik. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus bekennt ganz offen, Paragraph 219a solle nach und nach überflüssig gemacht werden – „wie bei einer Pflanze, der man das Wasser entzieht, bis sie abknickt“. So gräbt man das Wasser der Würde ab und macht den Menschen zu einem Produkt der Fortpflanzungsindustrie, zu einem Konsumobjekt ohne Würde und Geist. Und die SPD, ja die GroKo kann sagen: Wir waren dabei.

Bewußtsein für menschliches Leben schärfen

Sicher, die neue Generalsekretärin der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, blies mit ihrem Brief in die Glutreste unter der Asche. Aber es entstand kein Feuer, nur Rauch, in dem die SPD ihren Antrag zurückzog. Der Hauch war zu dünn. Es entstünde ein Feuer, wenn man den Paragraphen 219 und die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Abtreibung wirklich ernst nähme und umsetzte. Darin ist nämlich die Rede von einem Prozess zur Bewusstseinsbildung, den es zu fördern gelte. Das Bewußtsein für das Unrecht der Abtreibung und überhaupt für die Problematik solle geschärft werden.

Dazu gibt es noch kein Gesetz, weder im Bund noch in den Ländern. Dieses Bewußtsein in Schulen und Beratungsstellen, in Kliniken und Praxen zu schärfen, indem man die Würde des Menschen, sein Lebensrecht und die Einzigartigkeit jeder Person herausstellt, das wäre schon ein Gesetz wert. Und es wäre, so ganz nebenbei bemerkt, auch ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit der Politik.

Schwangere Frau mit Kind Foto: picture alliance/PhotoAlto
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