Darin stimmen alle politischen Beobachter überein: Der Fünfkampf der Kleinen war spannender, argumentations-, mithin kontrastreicher, unterhaltsamer und thematisch umfassender als das sogenannte Kanzlerduell. Die Vertreter von FDP, AfD, Grüne und Linke kämpften um den dritten Platz; Joachim Herrmann von der CSU konnte als einziger Vertreter der Regierungsparteien kaum mithalten. Schade, daß für die zwei Großen offenbar schon die Fortsetzung der Großen Koalition feststeht, denn mit den kleineren Koalitionspartnern käme wieder Bewegung nach Berlin.
Das gilt sowohl für die Digitalisierung als auch die Bildung, die Rente, die innere Sicherheit oder auch die Dieselfrage. In allen Politikfeldern haben die fünf kleineren Parteien eigene Vorstellungen. Das geht von Einzelmaßnahmen, bei denen die Grünen sich üblicherweise mit Verboten und Bevormundungen hervortun, bis hin zu durchdachten Konzepten, wofür die AfD mit der Spitzenkandidatin Alice Weidel stand.
Beispiel Rente: Die Grünen wollen Frauen-und Pflegeberufe besser bezahlen und damit der Altersarmut vorbeugen, die FDP stimmt dem zu und zeigt sich flexibel, der Ausstieg müsse schon mit 60 möglich sein. Die Linke will das System nach dem Modell Österreich neu fassen, ohne sich um die Vergleichbarkeit zu kümmern; die CSU will nichts ändern, es sei schon genug reformiert worden.
Die AfD wurde nicht als Paria behandelt
Die AfD sieht den Zusammenhang mit dem Wohnen, mit dem billigen Geld und den Folgen der verfehlten EZB-beziehungsweise der Eurorettungspolitik sowie mit den Erwerbsbiografien von Müttern. Ihr Konzept zielt auf die Umsetzung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts und auf eine Stabilisierung des Drei-Säulen-Systems (staatliche Rente, Privatvorsorge, Betriebsrente). Da hatte selbst die Moderatorin Sonja Mikich, die mehrfach schulmeisternd einzelne Diskutanten abkanzelte, nichts mehr zu bemerken.
Immerhin fiel aber auf, daß die AfD, anders als in den üblichen Talkshows, nicht als Paria behandelt wurde. Ein Beispiel für die Unterschiede in Programm und Kohärenz der Vorschläge bot auch das Thema innere Sicherheit. Während Cem Özdemir versuchte, mit Gesten der wabernden Position der Grünen etwas Entschlossenheit zu verleihen und sich dabei allerdings zu deutlicheren Worten gegenüber dem Islamismus hinreißen ließ, schlug Christian Lindner schlicht vor, die Gesetze voll zu nutzen, die Informationsstränge über Länder-und Kompetenzgrenzen hinweg zu vereinfachen, die Polizei zu stärken und die Fußfessel für Gefährder konsequenter einzusetzen.
Diskussion über Familie fehlte
Alice Weidel ergänzte, daß all die Maßnahmen wenig nützten, wenn die Grenzen weiterhin offen blieben. Poller ja, auch wenn es erhebliche Investitionen erfordere, zehntausende Bahnhöfe zum Beispiel damit auszustatten. Wichtiger aber seien Personalkontrollen an den Grenzen. Schließlich die Dieselproblematik: Während Sahrah Wagenknecht für die Linke fleißig Managerbashing betrieb, hier auch die Zustimmung der Liberalen und natürlich Özdemirs erhielt, der ein Loblied auf die E-Mobilität sang, fragte Frau Weidel schlicht, woher denn der Strom kommen solle und ob das ohne Kohlekraftwerke überhaupt gehe.
Die Mobilität der Zukunft sei auch eine Frage des Energiemix der Zukunft. Deshalb biete ihre Partei auch eine Dieselgarantie bis 2050, das sei Zeit genug, um diese Zusammenhänge zu erforschen und neue Formen der Mobilität zu finden, ohne die Verbraucher zu verunsichern. Man muss die einzelnen Positionen nicht teilen. Aber wenigstens gab es bei diesem Fünfkampf auf allen Seiten Positionen, konkrete Argumente, nüchterne Sachlichkeit, all das gepaart mit Leidenschaft – so könnte man sich Politik vorstellen.
Was fehlte – das gilt für die Zwei-, Fünf- und alle anderen Kämpfe in der Politik auch und gerade vor Wahlen – ist die Diskussion über die zukunftsträchtigste und systemrelevanteste Institution der Gesellschaft, die Familie.