Huch, das ging fix! Kaum stand fest, daß die AfD als drittstärkste Partei in den Bundestag einziehen würde, da verkündete die Nicht-mehr-Vorsitzende Petry, ihr politisches Heil außerhalb von Partei und Fraktion suchen zu wollen. Die nächste Meldung traf aus Mecklenburg-Vorpommern ein, wo vier AfD-Abgeordnete sich von der Landtagsfraktion absetzten. Es folgten weitere aus Sachsen. Zeit Online frohlockt: „Die Spalter sind gespalten“. Eine andere Zeitung höhnt: „Zerfall im Stundentakt“.
Doch Klärungsprozesse sind in einer jungen Partei normal. Die AfD ist wie ein „gäriger Haufen“ (Alexander Gauland), der leicht „übergärig“ werden kann. Bei den Grünen wurden Flügelkämpfe einst mit Wasserpistolen und Farbbeuteln ausgetragen. Der Unterschied: Die Grünen besaßen stets die Sympathien der Medien, der Kirche, der Kultur- und Akademiker-Szene. Noch die größte Eselei wurde ihnen als Ausdruck eines sympathischen Selbstfindungsprozesses nachgesehen.
Der AfD schlägt ideologisch und moralisch aufgeladene Feindschaft entgegen, die über eine politische Konkurrenz hinausgeht. Die Auguren haben ihr prophezeit, sie werde sich nach der Bundestagswahl schnell zerlegen. Nachdem der Plan A, die Etablierung der AfD auf Bundesebene durch Negativ-Propaganda und Störmanöver zu verhindern, gescheitert ist, tritt nun Plan B, der Versuch ihrer chemischen Auflösung, voll in Kraft.
Wächter, Spitzel, Jäger
Schon seit Monaten war Frauke Petry von den Medien hofiert worden: als Kronzeugin gegen angebliche Extremisten in der Partei. Um die AfD-Fraktion zu zersetzen, wird man die „gemäßigten“ und „realpolitischen“ von den „radikalen“, die „rechtsdemokratischen“ und „konservativen“ von den „extremistischen“ Abgeordneten unterscheiden und sie voneinander zu trennen versuchen.
Die einen wird man locken, umschmeicheln, korrumpieren, man wird ihnen die soziale Rehabilitierung und die Rückkehr in den Kreis der Wohlanständigen offerieren, den anderen wird man drohen, sie psychologisch unter Druck setzen, ausgrenzen. Statt sich mit politischen Positionen auseinandersetzen, wird man in Bürgerkriegsmanier die Personen zum Schlachtfeld machen.
Ein junges Medien- und Bachelor-Prekariat wird sich in Wächter-, Spitzel- und Jagdfunktionen drängen in der Erwartung, dafür aus staatlichen Fördertöpfen finanziert zu werden. Jedes dämliche Posting von zweifelhafter Herkunft, das auf der Homepage eines Abgeordneten oder eines AfD-Kreisverbandes auftaucht, wird eine Schlagzeile liefern.
Man wird innerparteiliche Provokateure und Querulanten aktivieren, die mit unmöglichen Äußerungen die Anlässe für öffentliche Entrüstung bieten, andere werden mit gespielter Empörung über angebliche rassistische Tendenzen in der Fraktion ihren Austritt verkünden.
Emotionaler Schutz und sozialer Rückhalt
Man wird im Privatleben der Abgeordneten herumwühlen, wird geschiedene Ehepartner, verlassene Geliebte und ehemalige Weggefährten aufstöbern, um ihnen pikante Details zu entlocken. Man wird wie gehabt Benutzerkonten knacken und die erbeuteten Informationen genüßlich ausbreiten.
Ein scharfer Wind wird auch im Bundestag wehen. Nicht jeder kann den Psycho-Druck, die Erfahrung der Isolation, den Haß so einfach wegstecken. „Ich habe Angst vor der Öffentlichkeit, wie sie von den Medien geschaffen wird, und gegen die ich mich nicht wehren kann. Ich habe Angst vor dem Haß, der mir im Bundestag entgegenschlägt aus Mündern und Augen und Haltungen von Leuten, die vielleicht nicht einmal ahnen, wie unmoralisch und erbarmungslos das System ist, dem sie sich verschrieben haben.“
Die Sätze stammen aus dem Abschiedsbrief des Thüringer PDS-Abgeordneten Professor Gerhard Riege, der im Februar 1992 Selbstmord beging. Riege hatte in den fünfziger Jahren, in der Hochzeit des Kalten Krieges, für die Stasi vier Berichte verfaßt, die sogar Stasi-Jäger Joachim Gauck als „eher bedeutungslos“ einschätzte. Unionschristen brüllten ihn als „Stasi-Heini“ bereits zu einem Zeitpunkt nieder, als die Berichte noch nicht bekannt waren.
AfD-Abgeordnete werden mit dem „Nazis raus!“-Gebrülle der panischen Etablierten leben müssen. Es wird viel Selbstdisziplin erfordern, das auszuhalten und souverän zu reagieren. Zwar ist die AfD-Fraktion nicht annähernd so groß, wie es der Lage im Land angemessen wäre, doch sie ist groß genug, um emotionalen Schutz und sozialen Rückhalt zu gewähren. Die Linke hat immer gewußt, wie wichtig Zusammenhalt und Solidarität im politischen Kampf sind. Nun muß die parlamentarische Rechte beweisen, daß auch sie diese Lektion begriffen hat.