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Meinung: Die Zukunft gehört der autoritären Demokratie

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Polizei (Archivbild): Im Hamburger Schanzenviertel brennen Gegenstände Foto: dpa
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Die Zukunft gehört der autoritären Demokratie

Die Zahl der „echten“ Diktaturen wird kleiner – wobei unter „echt“ Verhältnisse zu verstehen sind, wie sie mehr oder minder nur noch in Nordkorea existieren: Reiseverbote, Terror gegenüber Regimegegnern, Verhaftung bei der geringsten Kritik, Konzentrationslager. Doch makellos strahlende Demokratien, kann man mit der Lupe suchen. Ein Kommentar von Thomas Fasbender.
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Die Zahl der „echten“ Diktaturen wird kleiner – wobei unter „echt“ Verhältnisse zu verstehen sind, wie sie mehr oder minder nur noch in Nordkorea existieren: Reiseverbote, Terror gegenüber Regimegegnern, Verhaftung bei der geringsten Kritik, Konzentrationslager. Doch makellos strahlende Demokratien, wo die Zivilgesellschaft in aller Breite und Vielfalt das politische Leben prägt, kann man mit der Lupe suchen.

Zwei Tendenzen stehen weltweit im Wettstreit: Einerseits verliert der Staat an Bedeutung, driften Staat und Individuum auseinander, andererseits arbeiten die bewahrenden Eliten an der Schaffung mehrheitsfähiger, im Kern ideologischer Konstrukte, damit diese der jeweiligen Gesellschaft als Klammer dienen. In der Türkei, China, Rußland und anderen sind das Patriotismus und Stolz auf eine alte, irgendwann einmal imperial bestätigte historische Mission. In Deutschland, wo man mit Patriotismus so seine Probleme hat, ist es „die Demokratie“, die im Bewußtsein mancher Politiker und Intellektueller geradezu religiösen Charakter angenommen hat: das Grundgesetz als Bibel des 21. Jahrhunderts.

In der Türkei Gülen, in Deutschland AfD

Allenthalben entstehen zwar mehrheitlich begrüßte, in der Konsequenz jedoch autoritäre Verhältnisse. Natürlich geht diese Autorität zulasten der individuellen Freiheiten – ein notwendiger Tribut an die Ablösung des bürgerlichen Zeitalters durch die Massendemokratie. Meinungs- und Reisefreiheiten bleiben zwar bestehen, doch schleichen sich Restriktionen ein. Russische Staatsdiener dürfen schon heute nicht ins Ausland fahren. Die jüngsten diesbezüglichen Restriktionen in der Türkei sind bekannt. Wer in Moskau laut ausspricht, die Krim gehöre eigentlich der Ukraine, riskiert, wenn er auf dem Bau arbeitet, einen Tritt in den Hintern.

Im Staatsdienst oder in einer der Fernsehanstalten sind die Folgen schon gravierender. Auch wer sich in der Türkei für die Autonomie der Kurden ausspricht oder gar unter dem Verdacht steht, der Gülen-Bewegung anzugehören, hat keine guten Karten. In Deutschland riskieren Freiberufler, die in der AfD mitarbeiten, den Verlust von Auftraggebern, die um ihr Image bangen – die Fälle sind hinreichend belegt. Die sogenannte Antifa stellt jeden an den Pranger, der sich nicht ausdrücklich von „den Rechten“ distanziert.

Noch schützt der vergleichsweise starke Rechtsstatus des deutschen Beamten die AfD-Sympathisanten in dieser Berufsgruppe. Doch der Druck der Tugendwächter wächst, und Karriere macht nach einem derartigen Bekenntnis schon heute niemand mehr.

Grenze des Absurden längst überschritten

Derlei Beispiele lassen sich in vielen Ländern finden. Im angelsächsischen Raum hat die politische Korrektheit die Grenzen des Absurden längst überschritten. An einigen US-Universitäten dürfen Themen, zu denen es definierte politisch korrekte – und entsprechend auch unkorrekte – Positionen gibt, gar nicht mehr öffentlich diskutiert werden. Es könnten ja, Gott behüte, auch die tabuisierten, politisch unkorrekten Meinungen zur Sprache kommen.

So weit ist es hierzulande noch nicht. Gefahr für die Freiheiten des Einzelnen droht aber noch aus einer anderen Richtung. Je heterogener eine Gesellschaft etwa durch kulturfremde Zuwanderung wird, desto größer wird auch das in ihr herrschende Konfliktpotenzial. Von der Vorstellung, eine multiethnische oder multikulturelle Gesellschaft sei ein Schmelztiegel, in dem die ursprünglichen Bestandteile etwas völlig Neues ergeben, hat man sich längst auch in den USA verabschiedet, dem ersten großen Soziallabor der Geschichte.

Konflikte durch Parallelgesellschaften 

Was in der Realität entsteht, sind Parallelgesellschaften, die dasselbe Territorium und dieselbe Infrastruktur teilen, aber sonst kaum etwas. Auch das künftige Europa wird aller Voraussicht nach so beschaffen sein; Städte wie Brüssel, Paris und London spielen nur den Vorreiter. Eine dünne, gebildete Schicht – nicht zuletzt aus pädagogischen Gründen überrepräsentiert in den Medien und Institutionen – mag den Eindruck erwecken, das Experiment könnte gelingen. Im Alltag der übergroßen Mehrheit jedoch existieren die Parallelgesellschaften mit ihren jeweiligen Wertesystemen nebeneinander her und vor sich hin.

Daß es in solcher Lage zu deutlich mehr Konflikten kommt als im Zusammenleben einer homogenen Gemeinschaft, liegt auf der Hand. Die Aufgabe des Staats als verbleibender Klammer reduziert sich dann auf die Befriedung aller Beteiligten, auf die Durchsetzung seines Gewaltmonopols. Künftig wird autoritäre Herrschaft nicht wie noch im 20. Jahrhundert politisch-ideologisch geprägt sein, sondern ihren Schwerpunkt auf dem Gebiet der Sicherheit und Überwachung haben.

Anpassungsdruck gegenüber Minderheiten

Sogenannte No-go-Areas wie in den 1970er Jahren die nördlichen Stadtviertel Manhattans kann sich ein Staat, in dem es immer mehr Minderheiten und immer weniger Mehrheit gibt und der ernst genommen werden will, gar nicht leisten. Das Ergebnis, wie in New York ab Mitte der 1980er, ist dann die Null-Toleranz-Politik mit drakonischen Strafen und hohen Häftlingszahlen. Die angelsächsischen Länder Großbritannien und Vereinigte Staaten sind auf diesem Weg nur weiter fortgeschritten.

Wenn in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts der christlich-abendländisch geprägte Bevölkerungsanteil in Deutschland eine Minderheit unter vielen ist, wird das hierzulande nicht anders sein. Die Zukunft gehört der autoritären Demokratie: von der Mehrheit getragen, doch verbunden mit hohem Anpassungsdruck gegenüber Individuen und Minderheiten. Wobei man hinzufügen möchte: im besten Fall.

Polizei (Archivbild): Im Hamburger Schanzenviertel brennen Gegenstände Foto: dpa
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