Was ist der Unterschied zwischen deutschen und türkischstämmigen Wählern? Letztere bestehen auf die ihnen gegebenen Wahlversprechen. Und zwar lauthals. Aktuelles Beispiel ist der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB). In reinster Herrenattitüde fordert der Verband, die möglichen Regierungsparteien sollen die Berliner Bildungseinrichtungen „anweisen“, keine Deutschpflicht auf Schulhöfen zu erlassen.
Logisch, schließlich hätten alle drei Parteien vor der Wahl „fast allen Forderungen des TBB“ hinsichtlich einer gleichbehandelnden und partizipativen Senatspolitik zugestimmt. Die Abschaffung der Deutschpflicht ist nicht der einzige fragwürdige Punkt.
Der künftige Senat solle unter anderem eine Prüfung in Auftrag geben, „die die an den Berliner Schulen eingesetzten Lehr- und Lernmaterialien hinsichtlich diskriminierender, migrationsfeindlicher Inhalte untersucht“. Überdies müßten öffentliche Bedienstete „am ersten der islamischen Feiertage“ frei haben, das Optionsmodell bei der Staatsangehörigkeit gehöre abgeschafft und das Racial Profiling bei der Polizei müsse untersagt werden.
Mit Deutschpflicht zum Erfolg
Schulen sind in multikulturellen Städten wie Berlin nicht nur Horte der Wissenvermittlung, sondern kulturelle Ballungsräume, in denen sich Probleme konzentrieren. Da sind Eltern, die sich mit der Klassenlehrerin nicht unterhalten können, weil sie kein Deutsch sprechen. Da sind Schüler, die sich zu Cliquen zusammenschließen, je nachdem welchen Einwanderungshintergrund sie haben. Und auch andere, die von ihren Mitschülern gehänselt werden, weil sie Teil einer Minderheit sind.
Eine solche Schule, in der rund 90 Prozent der Kinder ausländische Wurzeln haben, ist die Herbert-Hoover-Realschule im Stadtteil Wedding. Vor elf Jahren hatte die Schulleitung die Idee, Deutsch als verpflichtende Sprache auf dem Schulgelände einzuführen. Lehrer, Eltern und Schüler beschlossen auf einer Schulkonferenz, „jederzeit und überall Deutsch zu sprechen“.
Die Entscheidung war so erfolgreich, daß sie andere Schulen übernahmen. Denn die Bilanz war eine positive. „Mehr Schüler schaffen den Realschulabschluß, mehr finden eine Lehrstelle und mehr gehen aufs Gymnasium“, schilderte Schulleiter Thomas Schumann. Die Hoover-Schule gehört mittlerweile zu den begehrtesten Sekundarschulen Berlins.
Unverzichtbare Wählergruppe
Das ficht den TBB nicht an. Deutsch sprechen in einer deutschen Schule? Geht nicht, das ist diskriminierend. Freie programmatische Handhabe der jeweiligen Schulleitung? Nicht mit ihm. Und Wahlversprechen müssen schließlich eingehalten werden. Daß dem nicht so ist, weiß jeder Wähler und das weiß auch jeder Gewählte. Deshalb gehen Parteien nach der Wahl geflissentlich über ihre Wahlversprechen hinweg.
Wie wär’s, wenn der Senat den Spieß einmal umdrehte: Er sollte vom TT Mäßigung und Zurückhaltung einfordern. Am längeren Hebel säßen die Politiker. Tun werden sie es dennoch nicht. Sollte sich die rot-rot-grüne Regierung im Abgeordnetenhaus wie zu erwarten konstituieren, wird der Senat nicht lange überlegen, ob er die Forderungen der türkischen Lobbygruppe ausschlägt. Auf diese Wählergruppe will das rot-grüne Parteientrio schließlich nicht verzichten.