Hat jetzt etwa auch Helldeutschlands oberster Moralhohepriester kalte Füße bekommen? Bundespräsident Joachim Gauck hat in die triefigen Wortgirlanden, die er zur traditionellen Einwanderungs-Jubelveranstaltung „Interkulturelle Woche“ gewunden hat, auch ein paar pseudoskeptische Töne eingeflochten: „Unsere Möglichkeiten“ seien „endlich“, und „unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt“.
Joachim Gauck ist offenbar nicht entgangen, daß sich die Willkommensbegeisterung für die politisch ausgelöste „Flüchtlings“-Invasion, deren Ausmaß weniger denn je absehbar ist, außerhalb der betreuten Phrasendreschbereiche der politischen Brandstifter und Opportunisten, medialen Claqueure und sozialindustriellen Profiteure doch eher in Grenzen hält.
Mit Bemerkungen, für die er noch vor ein paar Wochen den nicht so begeisterten Teil seiner Untertanen bedenkenlos als „Dunkeldeutschland“ abgefertigt hätte, heuchelt Gauck Verständnis, das er gleich wieder relativiert. Gewissermaßen die Schmusevariante zum sturheilen Kurs der Kanzlerin, die es überhaupt nicht einsieht, die Schleusen wieder zuzudrehen, nur weil sie mit der Öffnung ein Desaster angerichtet hat, über dem es sogar dem eigenen Kanzlerwahlverein langsam unheimlich wird: „Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin. Nun sind sie halt da.“
Gauck predigte Multikulti
Merkels Blankoscheck für angeblich und tatsächlich aus Syrien stammende Kriegsflüchtlinge und Asyl-Immigranten findet Gauck zwar nach wie vor „menschlich“, aber auch bei den überrumpelten Deutschen will er sich diesmal mit ein paar herablassenden Phrasen anbiedern: „Wird der Zuzug uns irgendwann überfordern? Werden die Kräfte unseres wohlhabenden und stabilen Landes irgendwann über das Maß hinaus beansprucht?“
Ja, werden sie, und zwar schon längst. Verglichen mit dem arroganten Ton der Kanzlerin, die nach dem Zusammenstoß mit dem Eisberg nicht mal die Maschinen drosseln will, sind das „irgendwann“ und die Fragezeichen der heuchlerische Euphemismus des Monats. Gemeinsam ist Merkel und Gauck, daß sie das Chaos, das sie selbst durch rhetorisches Zündeln mit angerichtet haben, als unvermeidliches Naturereignis und sich selbst als berufene Deuter und Krisenmanager hinstellen wollen.
War es nicht Gauck, der in wiederkehrenden Predigten den Multikulturalismus verherrlicht, Einwanderung als „Gewinn“ gefeiert und den Deutschen par ordre de mufti eine neue Definition ihrer Nation verordnet hat, nach der sie nur noch eine Minderheit unter vielen sein dürfen?
Gauck rief in Indien in Deutschland sei noch Platz
Und war es nicht Gauck, der schon vor anderthalb Jahren, lange vor Merkel, Blankoschecks an die Einwandererströme dieser Welt ausgestellt hat, als er im Februar 2014 mit einem „Ihr Inderlein kommet“ auf den Lippen auf dem asiatischen Subkontinent verkündete, „wir“ hätten „Platz in Deutschland“ und freuten uns wie die Schneekönige „auf Menschen aus anderen Teilen der Welt, die bei uns leben und arbeiten wollen“?
Derselbe Gauck orakelt jetzt von einer „Kraftanstrengung“, wie sie Deutschland „selten“ habe meistern müssen – und die, wenn sie denn gelingt und die Deutschen sich nochmal richtig anstrengen, auch die letzte der Deutschen als Nation gewesen sein könnte, wie der Aphorismus-Altmeister Michael Klonovsky kürzlich sarkastisch anmerkte.
Gauck will auch nicht etwa zugeben, daß er granatenmäßig danebengehauen hat – er will die deutschen Arbeitsesel und Zahltrottel, die er eben noch in „Dunkeldeutschland“ verortet hat, mit pastoraler Einlullungsrhetorik schon mal darauf vorbereiten, daß sie für die Zeche demnächst erst richtig zur Kasse gebeten werden.
„Wir“ meint beim Bezahlen stets die anderen
Denn Wettbewerb um preiswerten Wohnraum werde „unvermeidlich, raunt es aus Heucheldeutschland, und da werde es „unpopulärer Schritte“ bedürfen. „Unser Herz ist weit“, heißt in diesem Zusammenhang natürlich nicht, daß Herr Gauck und seine Lebensabschnittsgefährtin im Schloß Bellevue ungenutzte Zimmerfluchten für „Flüchtlinge“ freiräumen oder sich eine Containersiedlung in den Schloßpark stellen lassen.
„Wir“ meint, wenn es ans Bezahlen geht, nämlich nicht den pluralis maiestatis, sondern stets die anderen. Die Mieterin, die aus ihrer Wohnung fliegt, weil die Stadt „Eigenbedarf“ für „Flüchtlinge“ anmeldet, zum Beispiel. Bald wird’s kalt draußen, da läuft man sich schon mal warm für Wohnraumenteignungen im großen Stil.
Wo sind die Grenzen? Das wissen „wir“ (diesmal wohl pluralis maiestatis) leider „nicht genau“, das testen wir gerade an den Bürgern als Versuchskaninchen aus. Damit sie weiter schön stillhalten, gibt’s salbungsvolle Reden zur Narkose. Wer sich von solchen Scheinheiligkeiten einwickeln läßt, ist selbst schuld. Brandstifter taugen nicht als Feuerwehrleute.