Der Staat ist kaum noch handlungsfähig, die öffentliche Ordnung schwer gestört. „Es wandern ungeordnete, wilde Asylströme durch Deutschland“, befindet der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU). Die Bochumer Polizistin und Buchautorin Tania Kambouri stellt fest: „Wir verlieren die Hoheit auf den Straßen.“
Bis zu 1,5 Millionen Ausländer, überwiegend junge muslimische Männer, könnten bis zum Jahresende nach Deutschland gelangen. „Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen“, hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer schon Anfang September gesagt. Er hat recht. Deutschland schafft sich zwar nicht ab, aber das Vaterland ist in Not.
Seehofer, bisher eher Hallodri denn Staatsmann, hat in der im Grenzland Bayern besonders großen Not wenigstens den richtigen Befund geliefert, wo sich das Problem befindet – in der politischen Führung ganz oben: „Die Kanzlerin hat sich meiner Überzeugung nach für eine Vision eines anderen Deutschland entschieden“, soll Seehofer über Angela Merkel gesagt haben.
Heimlicher Beifall für Merkel-Kritiker
Mit einer unglaublichen Arroganz, die nur Folge eines rapiden Realitätsverlusts sein kann, konterte Merkel in einer Fraktionssitzung der Union in Berlin: „Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin. Nun sind sie halt da.“ Im Saal der Unionsfraktion soll es gespenstische Szenen gegeben haben. Zahlreiche von der Regierungschefin enttäuschte Abgeordnete klopften bei Reden von Merkel-Kritikern Beifall von unten gegen die Tische, damit Denunzianten nicht erkennen konnten, wer die Kritiker sind. Merkels Kosename „Mutti“ wird nur noch selten verwendet, angeblich ist jetzt häufiger von der „Alten“ die Rede.
In zehn Jahren Kanzlerschaft Merkel hat sich in Berlin ein System etabliert, in dem man besser nicht eine von der offiziellen Linie abweichende Meinung sagt. Kritiker der Euro-Rettungsschirme haben erfahren müssen, was es heißt, von wichtigen Ämtern verbannt zu werden. Asylkritikern droht ähnliches. „Das System M etabliert eine leise Variante autoritärer Machtentfaltung, die Deutschland so noch nicht kannte“, schrieb die Publizistin Gertrud Höhler sorgenvoll schon vor einigen Jahren.
Gewaltausbrüche werden Alltag
Die Frage ist, ob aus der Not des Vaterlandes ein Staatsnotstand wird oder ob es gelingt, die berstenden Dämme wieder zu errichten. Selbst Bundespräsident Joachim Gauck, der allzu gerne an andere appelliert, Willkommenskultur zu üben, beschleichen offenbar Sorgengefühle: „Unsere Werte stehen nicht zur Disposition.“ Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Thomas Strobl sagt: „Die Gesetze macht nicht der Prophet.“ Doch herrscht in den Aufnahmelagern nicht längst das Gesetz der Scharia? Was ist mit den Berichten über Gewaltexzesse, Vergewaltigungen und Zwangsprostitution?
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ahnt, was bei einer monatlichen Zuwanderungsrate von 200.000 Personen passieren wird: „Dann ist es nur noch eine Frage kürzerer Frist, bis die Gewaltausbrüche Alltag werden und bald auch über Mauern und Zäune der Notquartiere hinausgreifen. Die Polizei, ohnehin längst überfordert, wird das nicht verhindern können.“
Niederlagen der Union häufen sich
Die Kanzlerin setzt weiter auf Willkommenskultur und ignoriert das Entsetzen anderer europäischer Regierungen: „Ich muß ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, daß wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ Die deutschen Medien waren begeistert, zogen Vergleiche mit Gerhard Schröders Agenda 2010, nachdem Merkel festgestellt hatte: „Wir schaffen das.“ Nur wenige Stimmen warnten, daß der „monothematische Überzeugungsjournalismus“ nicht die Realität spiegelt; offenbar erliegen Merkel und das Kanzleramt den von ihnen selbst in die Medien beförderten Trugbildern.
Merkels semiautokratischer Regierungsstil blieb so lange ohne Kritik, wie sie den Abgeordneten in Bund und Ländern Pfründe und Wiederwahl garantieren konnte. Die hielten im Gegenzug Parteibasis und Volk ruhig. Das ging längere Zeit gut, allerdings häuften sich die Niederlagen für die Union, auch wenn Merkel die CDU sozialdemokratisierte und reihenweise linke Positionen übernahm – vom Atomausstieg über Mindestlohn bis zur Frauenquote.
Alternativlosigkeit als System war ein Fehler
In Thüringen ging die Regierung verloren, in mehreren Ländern und im Europaparlament gewann die Alternative für Deutschland (AfD) Mandate; bei den letzten Wahlen in Bremen und Hamburg bekam die CDU kein Bein an die Erde. Und es ist keineswegs sicher, daß der baden-württembergische grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann im nächsten Jahr die Wahl verliert und ein namenloser CDU-Konkurrent gewinnt.
Schon rauschen die Sympathiewerte für Merkel in den Keller und die für den angriffslustigen Seehofer nach oben. Merkel hat schwere Fehler gemacht, hat die Alternativlosigkeit zum System erklärt: Das reicht von der Griechenland-Rettung über die Aussage „der Islam gehört zu Deutschland“ bis zu „Asyl hat keine Obergrenze“.
Bojen fürs Volk werden zu Mühlsteinen
Was als Bojen fürs Volk gedacht war, kann zu Mühlsteinen werden, die Merkel nach unten ziehen und junge, unverbrauchte Alternativen nach oben bringen. Das könnte nach Lage der Dinge nicht eine mit der Bundeswehr hadernde, rechthaberische und humorlose Ursula von der Leyen sein, sondern eine frische sympathische Kraft wie die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Julia Klöckner. Mehr, aber auch nicht weniger, hat die CDU nicht.
Merkel, so befand ein Kommentator aus dem Ausland, habe „quasi Heiligenstatus erreicht“. Wer genauer hinschaut, erkennt eine Säulenheilige, die ganz schnell vom Sockel stürzen kann.
JF 42/15