Die Alternative für Deutschland, so ist immer wieder zu hören, ist die Partei gegen den Euro, also eine klassische Ein-Thema-Partei. Und da die Länder in dieser Frage wenig mitzubestimmen haben, fragen manche nach dem Sinn einer Teilnahme der AfD an Landtagswahlen.
Wer so fragt, hat Sinn und Zweck dieser neuen Partei noch nicht verstanden. Denn schließlich ist der Euro nur Schlußstein und Symbol einer angeblich alternativlosen Politik. Doch was im Euro ganz besonders deutlich wird, hat längst die ganze Gesellschaft erfaßt.
Späte Jakobiner
Am Anfang der Bundesrepublik waren Alternativen das Salz der jungen Demokratie: Wehrpflicht – ja oder nein, Bündnisverpflichtungen oder Neutralität, soziale Marktwirtschaft oder zentrale Planwirtschaft. Um fast alles wurde von unterschiedlichen Positionen aus gerungen.
Und heute? Auch jenseits der Großen Koalition gibt es nur einen schmalen Korridor erlaubter Abweichungen. Zu fast allen grundsätzlichen Fragen wird ein größerer Dissens medial nicht mehr geduldet: Einwanderungspolitik, Demographie, Gender Mainstreaming, Inklusion – alles längst festgezurrt in eine Richtung und keine Chance, zweifelhafte Entwicklungen auch einmal zurückzudrehen.
Denn das wäre ja gegen den Fortschritt, die Menschenrechte und die Gleichheit und damit inakzeptabel. Und da ein Zurück für diese späten Jakobiner undenkbar ist, möchten sie auch eine Diskussion darüber verhindern.
Die Partei des gesunden Menschenverstandes und nicht der Ideologie
Haltesignale kommen kaum noch aus der Gesellschaft, sondern von Entwicklungen außerhalb dieser schönen neuen Welt. Dabei hat ein grün-linker Moralindividualismus den berechtigten, klassischen sozialdemokratischen Kampf um den Aufstieg des vierten Standes abgelöst.
Aus dieser Tradition heraus ist die SPD der politischen Vernunft meist näher als die Grünen. Wer vor einigen Jahren die Zugehörigkeit der Türkei zu Europa bezweifelte, wurde als Rassist, islamophob und reaktionär bezeichnet. Inzwischen möchten nicht einmal mehr die Grünen Herrn Erdogan im europäischen Haus haben.
Die AfD, so Bernd Lucke, ist die Partei des gesunden Menschenverstandes. Und der ist eben nicht nur beim Euro von ideologischen Zwangsvorstellungen verdrängt worden. Statt in einem ausdifferenzierten Schulsystem unterschiedliche Begabungen zu fördern, dient das Gesamtschul-System der gesellschaftlichen Gleichmacherei – es soll nur keiner schneller wachsen als der andere, weil Ungleichheit für Ideologen ein größeres Übel ist als mangelnde Leistungsbereitschaft wegen Unterforderung. Und daß Förderschulen in ihrer Ausstattung besser zur Bildung von Behinderten taugen als Regelschulen, wird unter dem Zauberwort der Inklusion begraben und als Menschenrechtsverletzung angeprangert.
Uns schwindelt beim Gedanken an Bevölkerungspolitik
Überhaupt das Festmachen fast aller Probleme am Wertehimmel der Menschenrechte. Mit der Behauptung, diese seien universal, werden Kulturen und Traditionen wie Buddhismus, Hinduismus und die jahrtausendealte Familientradition Chinas immer erneut auf die Stufe von Minderem herabgedrückt, wird westliche Demokratie zu einem Muß auch für Rußland und China, eine Kolonisierung des Denkens.
Noch immer glauben manche, die Probleme der Demographie mit multikultureller Einwanderung lösen zu können. Sterben die Deutschen mangels Kindern aus, entsteht Platz für die Ärmsten der Armen, die zwar auf diese Gesellschaft kulturell nicht vorbereitet sind – aber was macht das schon? Und während die französischen Sozialisten die Drei-Kind-Familie propagieren, schwindelt uns schon bei dem Gedanken an Bevölkerungspolitik. Schließlich haben die Nazis das Wort auch in den Mund genommen.
Von dem britischen Premier Palmerston stammt das kluge Wort von den ewige Interessen, die ein Staat hat, im Unterschied zu ewigen Freundschaften, von denen manche träumen. Außenpolitik ist daher für viele Deutsche entweder gut oder böse – statt richtig oder falsch. Dabei ist es durchaus vorstellbar, daß man mit „bösen“ Staaten gute Beziehungen pflegt, und mit „guten“ mangels Interessenidentität so seine Probleme hat.
Es gehört eben nicht zu einer pragmatischen Außenpolitik, die innere Ordnung eines Staates schwächen oder gar beseitigen zu wollen. Das ist Sache der Zivilgesellschaft des entsprechenden Landes, nicht die Aufgabe von Außenministerien.
Der Staat hat an der Fähigkeit, Sicherheit und Ordnung zu garantieren, eingebüßt
Das gesellschaftliche Gleichgewicht hat sich in den vergangenen Jahren immer stärker in die Richtung individuelle Emanzipation verschoben, wobei Schutz und Wohl der Allgemeinheit in den Hintergrund getreten sind.
Der Staat hat an der Fähigkeit, Sicherheit und Ordnung zu garantieren, eingebüßt und dafür immer neue Aufgaben einer ideologisierten Verteilungsgerechtigkeit übernommen. Er ist zugleich fett und schwach geworden. Er versucht, Loyalitäten zu kaufen, weil er in einem Klima des Laisser-faire seinen originären Auftrag nicht mehr zu erfüllen vermag.
Die AfD möchte das gesellschaftliche Gleichgewicht wiederherstellen und die in der Folge der 68er eingetretene Ideologisierung aller Lebensverhältnisse zurückdrängen. Dafür muß sie auf allen politischen Ebenen des föderalen Staates präsent sein.
Denn der Irrsinn des Euro ist überall gegenwärtig, in einer falschen Einwanderung genauso wie in der Zerstörung klassischer Bildungsinhalte, der doppelten Staatsbürgerschaft und einer ideologisierten Verspargelung der Landschaft durch die Energiewende. Der deutsche Nationalstaat kann sich auf vielerlei Weise abschaffen – nicht nur in einem europäischen Superstaat.
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Dr. Alexander Gauland ist stellvertretender AfD-Sprecher und Spitzenkandidat der Partei in Brandenburg.
JF 34/14