„Das ist keine bürgerliche Partei. Was die AfD von sich gibt, ist für mich oft hart an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit.“ Das sagt keine linksradikale Politikerin. Dies äußerte jetzt die CDU-Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer in einem Zeitungsgespräch.
Es ist Wahlkampf. Hier wird gelegentlich mit harten Bandagen gefochten. Der Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit ist jedoch der härteste denkbare Vorwurf im politischen Raum.
Die Strategie der CDU
Diese Äußerung ist kein Ausrutscher, sondern ist bedacht gefallen. Die Alternative für Deutschland (AfD) hat mit ihrem Senkrechtstart vor einem Jahr und ihrem sensationellen Achtungserfolg von 4,7 Prozent bei der Bundestagswahl Union und FDP schockiert. Jetzt löst sich die Schockstarre und die Platzhirsche der bürgerlichen Politik schlagen rücksichtslos zurück.
Seit jeher ist es die Strategie des Konrad-Adenauer-Hauses gewesen, aufkommende Konkurrenzparteien im bürgerlichen Spektrum systematisch in die rechtspopulistische, rechtsradikale Ecke zu drängen. Es folgt dem gespenstischen Diktum des einstigen CSU-Chefs Franz Josef Strauß, rechts neben der Union dürfe es niemals eine „demokratisch legitimierte Partei“ geben. Die Union will das politische Monopol für die bürgerliche Politik behalten. Und wer Demokrat oder Verfassungsfeind ist, bestimmt sie?
Recht brechende Politik der Bundesregierung
Das große Pfund der AfD ist, daß sie gerade nicht eine Gründung des „rechten Randes“ ist, sondern sie aus der Mitte der Gesellschaft initiiert wurde. Vorneweg Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel, Alexander Gauland, Konrad Adam, Frauke Petry kommen aus etablierten Strukturen der Wissenschaft, der Medien, der Wirtschaft, sie waren zuvor Sympathisanten oder Mitglieder von CDU oder FDP.
Die Euro-Krise und eine abenteuerliche, die Ersparnisse der deutschen Steuerzahler riskierende und das Recht brechende Rettungspolitik der Bundesregierung sorgten dafür, daß nicht nur einfache Bürger, sondern in außergewöhnlichem Maße Teile der Wirtschaftselite, des Mittelstandes, der Wirtschaftspublizistik sich von den Unionsparteien und der FDP verraten sehen und enttäuscht abwenden.
Ein Schlag ins Gesicht eines jeden Demokraten
Das ist der Grund, weshalb die AfD solchen Zuspruch erhält, quer zu den traditionellen politischen Lagern. Das Unternehmermagazin Impulse bezeichnet es in seiner neusten Ausgabe als „Phänomen“, in welchem Maße sich „viele Selbständige und Unternehmer“ der AfD zuwenden und fragt: „Ist die AfD auf dem Weg zur neuen Partei des Mittelstandes?“
Über die Euro-Krise hinaus verweist der Zuspruch für die AfD auf eine schwere Repräsentationskrise des deutschen Parteiensystems, der deutschen Politik. Viele Bürger empfinden sich von etablierten Parteien nicht mehr gehört, nicht mehr vertreten und sehnen sich nach einer Alternative.
Die Behauptung von Kramp-Karrenbauer, die AfD sei eine Partei an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit ist ein Skandal und ein Schlag ins Gesicht jedes Demokraten. Die CDU sollte diesen unerhörten Vorwurf schleunigst zurücknehmen und sich auf eine argumentative Auseinandersetzung besinnen, statt mit dem Instrument des Verfassungsschutzes einen unliebsamen politischen Mitbewerber zu bedrohen.