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Interview der Woche: Bestsellerautor Raphael M. Bonelli: „Die woke Mauer fällt!“

Interview der Woche: Bestsellerautor Raphael M. Bonelli: „Die woke Mauer fällt!“

Interview der Woche: Bestsellerautor Raphael M. Bonelli: „Die woke Mauer fällt!“

Buchtitel „Tabu. Was wir nicht denken dürfen und warum“. Neurowissenschaftler, Psychiater, Leiter und Gründer des Instituts für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie (RPP) und Bestsellerautor Raphael Bonelli. Fotos: privat
Buchtitel „Tabu. Was wir nicht denken dürfen und warum“. Neurowissenschaftler, Psychiater, Leiter und Gründer des Instituts für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie (RPP) und Bestsellerautor Raphael Bonelli. Fotos: privat
Buchtitel „Tabu“, Autor Bonelli: „Die Zeit ist reif, die Leute haben die Schnauze voll – die Tabus sind dabei zu brechen!“ Fotos: privat
Interview der Woche
 

Bestsellerautor Raphael M. Bonelli: „Die woke Mauer fällt!“

Der populäre Psychiater und Bestsellerautor Raphael Bonelli ist sich sicher: Das Ende der politischen Denk- und Sprechverbote ist gekommen, erklärt er im JF-Interview. In seinem neuen Buch „Tabu. Was wir nicht denken dürfen und warum“ zeigt er auf, weshalb.
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Herr Dr. Bonelli, ist die Brandmauer ein Tabu?

Raphael Bonelli: Ja, sie ist ein klassisches Tabu.

Inwiefern?

Bonelli: Weil sie ein Denkverbot darstellt, dessen Übertretung emotional schwer bestraft wird.

In Ihrem neuen Buch „Tabu. Was wir nicht denken dürfen und warum“ schreiben Sie, Sprechverbote in der Politik seien Instrumente der Herrschaft.

Bonelli: Richtig, weil man durch sie quasi die öffentliche Meinung steuern kann. Kennen Sie die Poller aus Beton oder Metall, die in Innenstädten stehen? Für mich sind sie das anschaulichste Bild für ein Tabu in der Politik: Eher geht das Auto kaputt, als daß sich der Poller bewegt – das Tabu verhindert also, daß ich mit dem „Auto“ meiner Vernunft geradeaus fahren kann.

Das heißt, ich muß einen Umweg machen. Und gibt es viele Poller – was bei uns ja inzwischen der Fall ist –, dann kann man am Ende gar nicht mehr fahren, sprich logisch denken. Das ist natürlich fatal für eine Gesellschaft, doch es nützt denen, die Probleme nicht lösen, aber dennoch an der Macht bleiben wollen. Und genau dazu ist ja zum Beispiel die Brandmauer da.

Konkret?

Bonelli: Eigentlich ist sie eine sehr schlaue Taktik der linken Parteien, um die CDU einzubetonieren und ihr den Verhandlungsspielraum zu nehmen. Es ist schon faszinierend, wie es dem politischen Gegner gelungen ist, der Union dieses Tabu aufzuerlegen. Denn unter seiner Wirkung ist sie nicht mehr in der Lage, ihre Positionen durchzukämpfen und damit dazu gezwungen, linken Parteien eine Koalition anbieten zu müssen.

Bonelli: „Die Einführung neuer Tabus ist Ausdruck totalitärer Gesinnung“

Allerdings sagen Sie, daß es auch positive Tabus gibt.

Bonelli: Ja, grundsätzlich können Tabus für eine Gesellschaft sehr nützlich sein – und an sich sind sie auch etwas typisch Menschliches. Nehmen Sie etwa das Tötungstabu oder die Sexualtabus, wie ursprünglich der Ehebruch oder das Inzestverbot. Doch über diese traditionellen hinaus werden Tabus oft auch mißbraucht, zum Beispiel indem die Politik neue errichtet.

Interessant ist, daß gerade in den ideologischen Epochen der Geschichte klassische Tabus gebrochen und neue künstliche, politische Tabus errichtet werden. Denken sie etwa an den Jakobinismus, den Kommunismus, den Nationalsozialismus oder die Achtundsechziger – es ist immer dasselbe Muster.

Nämlich?

Bonelli: Je totalitärer die Strukturen, desto radikaler ist die Enttabuisierung der natürlichen Tabus, etwa des Tötungstabus, heute zum Beispiel in Gestalt unseres leichtfertigen Umgangs mit der Abtreibung. Zudem geht es besonders gerne gegen die traditionalen Sexualtabus, die möglichst umfangreich zu brechen für die Achtundsechziger und ihre Nachfolger geradezu eine Obsession war beziehungsweise ist.

Auch die Einführung neuer Tabus ist Ausdruck eines totalitären Selbstverständnisses, denn damit spielt der Mensch Gott: Er macht sich selbst zum Mittelpunkt der Welt, der er gottgleich Normen und Werte vorschreibt.

Das heißt, die Etablierung der vielen neuen Tabus heutzutage ist nicht, wie gern behauptet, ein Zeichen gesellschaftlichen Fortschritts, sondern im Gegenteil eines sich verfestigenden Totalitarismus?

Bonelli: Auf jeden Fall können wir eine große Vehemenz feststellen, mit der immer neue Tabus implementiert werden, so daß man an ihnen nicht vorbeikommt. Etwa wenn gerade die Sprache immer stärker tabuisiert wird und es einen immer längeren Katalog verbotener Wörter gibt. Dann wird es für unsere menschliche Vernunft sehr mühsam, da man sich lang überlegen muß, wie man etwas sagt, ja sich schließlich fragt, ob man es überhaupt noch äußern soll.

Solche Dinge beschränken den Diskurs, ja das Denken selbst. Und schließlich können wir gar nicht mehr lösungsorientiert denken, mit der Folge, daß gesellschaftliche Probleme ungelöst bleiben – denken Sie etwa an die Migrationsdebatte.

„Migration ist immer noch ein riesiges Tabu“

Konkret?

Bonelli: Na, zum Beispiel die Frage, wie stellen wir uns Deutschland im Jahr 2070 vor? Wenn wir die Einwanderungszahlen der letzten Jahre hochrechnen, dann kann man absehen, welche Probleme uns blühen. Aber da haben wir ein Denkverbot, besonders in konservativen Kreisen.

Sie meinen in linken Kreisen?

Bonelli: Da sowieso, aber ich meine, was ich sage: In rechten Kreisen tut man sich da wohl leichter, aber in konservativen Kreisen, in denen ich stark verwurzelt bin, merke ich, daß Migration immer noch ein riesiges Tabu ist, weil man jahre-, ja jahrzehntelang massiv weggeschaut hat und auch heute kaum wagt, sich der Problematik wirklich zu stellen. Ich muß zugeben, daß ich selbst sehr lange über das Migrationsthema und das Problem der Demographie nicht nachgedacht habe.

Warum?

Bonelli: Damals hat mich die Problematik intellektuell einfach nicht ganz erfaßt.

Also nicht wegen eines Tabus?

Bonelli: Doch, natürlich hatte das mit Tabuisierung zu tun, denn die Themen Migration und Demographie wurden und werden ja sehr stark mit „rechts“ und „rechtsextrem“ verknüpft. Motto: Wer kritisch darüber nachdenkt, muß rechtsradikal sein! Und deshalb läßt man sich präventiv auf solche Gedanken gar nicht erst ein.

Und wie haben Sie dieses Tabu dann doch durchbrochen?

Bonelli: Dank der Wahrnehmung des Alltags auf der Straße und Aha-Erlebnissen. Eines stellte sich etwa ein, nachdem ich einen Film aus den fünfziger Jahren sah, wodurch mir das unterschiedliche Erscheinungsbild der Gesellschaft des heurigen Wiens und des der damaligen Zeit bewußt wurde – im Film waren nur Österreicher zu sehen, die aus Österreich stammten. Das war total verwirrend für mich. Und so beginnt man nachzudenken. Das eigentliche Aha-Erlebnis aber war die fulminante Rede von US-Vizepräsident JD Vance im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

„Die Zeit ist reif, die Leute haben die Schnauze voll – die Tabus sind dabei zu brechen“ 

Diese umschreiben Sie in Ihrem Buch als den „Fall der woken Mauer“.

Bonelli: Ja, ich mag das Wortspiel. Der „Fall der Mauer“ sagt natürlich jedem Deutschen etwas. In Österreich aber muß ich das eher erklären: nämlich daß die Mauer von der DDR gebaut und öffentlich „verkauft“ wurde als Mittel zum Kampf gegen den Faschismus – Stichwort „antifaschistischer Schutzwall“. Ich meine, das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Denn heute kommt man sich doch wirklich vor wie in einer DDR 2.0, wo dem antifaschistischen „Kampf gegen Rechts“ ja fast alles untergeordnet wird. Und die Vance-Rede hat dieses Tabu doch für alle öffentlich sichtbar gemacht.

Inwiefern?

Bonelli: Zum einen durch die Inhalte, die sie beschreibt, aber auch auf eine Weise, die den Politikern und Medien gar nicht klargewesen sein dürfte: nämlich durch ihre Reaktionen auf die Rede. Haben Sie sich diese einmal näher angesehen?

Nun, einhellige Empörung – oder?

Bonelli: Eben, hoch emotional, hoch irrational und hoch aggressiv. Dazu muß man wissen, daß die Emotion einer Empörung eigentlich ein narzißtischer Reflex ist. Denn Empörung heißt: Ich bin moralisch überlegen, und wie kannst du es wagen, anderer Meinung zu sein? Diese Art der Reaktion hat öffentlich demonstriert, daß wir es mit einem Tabu zu tun haben. Sonst hätte man ja auch mit sachlicher Widerrede reagieren können. Doch stattdessen wurde versucht, Vance mittels manipulativer Techniken schlechtzumachen.

Es ging also gegen den Überbringer der Botschaft statt gegen die Botschaft selbst. Kein Wunder, da diese sachlich auch kaum relativiert werden kann, weil, wie etwa im Fall der Massenmigration, die von Vance angesprochenen Probleme evident sind. Gleichzeitig wurde die Rede seitens vieler Bürger sehr positiv aufgenommen, im krassen Gegensatz zu den Medien und Politikern, die sonst von sich glauben, sie hätten die Lufthoheit über die öffentliche Meinung inne. Deshalb war diese Rede ein Riesenerfolg, auch wenn sie von ihrem primären Publikum überhaupt nicht goutiert wurde.

Zum Prinzip eines Tabus gehört es also, den Tabubrecher zu bestrafen. Das kann man mit einem US-Vizepräsidenten natürlich nicht machen. Aber JD Vance war Tage später wieder zu Hause, während das von ihm kritisierte Tabu weiterbesteht. Was also ist die Lösung?

Bonelli: Die Lösung ist, daß die Leute erkennen, was unsere Probleme sind. Immer mehr Menschen merken, daß sie ihre Meinung nicht frei sagen können und entdecken den Wert der Parrhesia, wie das die alten Griechen nannten, der freimütigen Rede – also daß man die Pflicht hat, die Wahrheit zu sagen, ob sie erwünscht ist oder nicht.

Und das ist eigentlich das zentrale Thema meines Buchs: Daß wenn alle aufstehen und rufen „Der Kaiser ist nackt!“, dann ist das ganze Theater schnell vorbei. Daß etwa ein Mann plötzlich als Frau gelten kann, funktioniert nur, weil nicht gewagt wird, zu widersprechen. Weil wir uns daran gewöhnt haben, schön brav „Transfrau“ zu sagen, doch damit bereits dem Narrativ des Tabus folgen.

„Noch vor sechs Monaten hätte ich das nicht schreiben können“ 

Es stimmt zwar, daß, wie Sie sagen, die Zahl derer wächst, die das Tabu erkennen – aber das heißt doch noch lange nicht, daß es auch bricht.

Bonelli: Oh, es ist schon dabei! Sehen Sie, nach dem Vance-Auftritt hatte ich auf Youtube ein Video mit einer Analyse der Rede und der Reaktionen auf sie gemacht. Und eigentlich hatte ich nicht mit einem großen Erfolg gerechnet, wenn ein österreichischer Psychiater über eine Rede in München eines amerikanischen Politikers spricht. Doch dann ging das Video viral, wurde binnen Tagen Hunderttausende Male geklickt.

Und während die Reaktionen in den Medien fast nur negativ waren, waren die Kommentare unter dem Video fast nur positiv. Da habe ich erkannt, daß die Zeit reif ist, daß die Tabus bereits im Begriff sind, zu brechen. Denn die Menschen haben die Schnauze wirklich gestrichen voll!

Mir wurde auch klar, daß ich jetzt schnell ein Buch dazu machen muß, um diese Welle zu verstärken, damit immer mehr Menschen aufstehen. Zugegeben, in Europa sind wir noch ein bißchen hinter der Entwicklung in den USA hinterher, aber auch bei uns rollt die Welle und wird nicht mehr aufzuhalten sein.

Buchtitel Raphael Bonelli: „Tabu. Was wir nicht denken dürfen und warum“
„Tabu. Was wir nicht denken dürfen und warum“ – Jetzt im JF-Buchdienst bestellen!

Sind Sie sich da so sicher? Sie warnen ja, daß die politischen Tabus sich bereits durch Künstliche Intelligenz verewigen.

Bonelli: Künstliche Intelligenz kann man zum Glück reprogrammieren. Aber ja, es stimmt. Etwa hatte ich bei der Recherche für mein Buch so manche Diskussion mit ChatGPT, bei der zu merken war, wie das Programm an seine Grenze stößt, weil ihm Denkverbote eingespeist wurden. Was ebenso faszinierend wie erschreckend ist, weil eine künstliche Intelligenz genau das eigentlich nicht haben sollte. Es war beklemmend, aber auch amüsant, wie ich von der KI zum Teil politisch korrekt korrigiert worden bin, weil ich es gewagt hatte, falsche Fragen zu stellen. Doch das wird sich immer mehr abnutzen.

Inwiefern das?

Bonelli: Nehmen Sie zum Beispiel die politisch korrekte Sprache, die dazu führt, daß sich die Menschen auf der Straße, sprich die Wähler, mehr und mehr von den Politikern und den Medien unterscheiden, weil man im Alltag nur selten Exemplare trifft, die so gespreizt und manieriert daherreden. Denn das ist künstlich und Menschen, die so sprechen, haben keine Authentizität mehr, sie spielen eine politische Rolle und man nimmt ihnen nicht ab, daß sie es wirklich ernst meinen.

Im Buch verkünden Sie, „die Tabu-Gesellschaft verabschiedet sich“. Übersehen Sie dabei aber nicht, daß unser Bildungssystem junge Menschen vom Kindergarten bis in die Hochschulen massiv mit woken Tabus indoktriniert und was passiert, wenn diese künftig in die Leitungspositionen der Gesellschaft kommen:  Nimmt die Tabu-Gesellschaft nicht erst so richtig Fahrt auf?  

Bonelli: Nein, ich glaube, den Höhepunkt haben wir bereits durchlebt und ihre absolute Macht ist gebrochen. Denn heutzutage können Sie über viel mehr sprechen als noch vor Jahren. Viele meiner Kollegen haben mir zu diesem Buch gratuliert und versichert: „Vor zwei Jahren hättest du das noch nicht schreiben können.“ Ja, ich würde sagen, ich hätte es sogar vor sechs Monaten noch nicht schreiben können.

Aber natürlich gibt es auch noch „konservative“ Gegenkräfte, und selbstverständlich fallen auch nicht alle Tabus zugleich. Es gibt auch noch welche, die nach wie vor sehr stark sind. Aber etwa Gender, Corona, Klima oder Migration – da hat sich schon wahnsinnig viel getan! Und es ist auch, falls Sie das vielleicht beruhigt, das Wesen der künstlichen, politischen Tabus, daß sie anders als die natürlichen Tabus nicht für die Ewigkeit gemacht sind und früher oder später immer fallen.
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Dr. Raphael Bonelli ist Leiter des von ihm gegründeten Instituts für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie (RPP) in Wien. Der 1968 im oberösterrreichischen Schärding geborene Neurowissenschaftler und Psychiater ist einem breiteren Publikum durch seinen Youtube-Kanal „RPP-Institut“ mit über einer Viertelmillion Abonnenten bekannt, vor allem aber dank seiner zahlreichen Medienauftritte, etwa in Spiegel, Focus, Bild, Zeit, Frankfurter Rundschau, Süddeutscher Zeitung, ARD, RTL oder Deutschlandfunk.

Aber auch durch seine Bücher, darunter der Bestseller „Bauchgefühle. Wie sie entstehen. Was sie uns sagen. Wie wir sie nutzen“ (2022) oder „Die Weisheit des Herzens. Wie wir werden, was wir sein wollen“ (2023) und „Die Kunst des Ankommens. Wie wir unseren Platz im Leben finden“ (2024). Nun ist sein neues Buch erschienen: „Tabu. Was wir nicht denken dürfen und warum“

Aus der JF-Ausgabe 28/25 

Buchtitel „Tabu“, Autor Bonelli: „Die Zeit ist reif, die Leute haben die Schnauze voll – die Tabus sind dabei zu brechen!“ Fotos: privat
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