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Unversöhnte Gegensätze

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Unversöhnte Gegensätze

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In der Islamischen Republik Iran steht der innenpolitische Machtkampf „Spitz auf Knopf“. Ging es Mir Hossein Mussawi und der Oppositionsbewegung, die sich um ihn scharte, anfangs nur um eine Modernisierung der verkrusteten islamischen Gesellschaft im Rahmen des Systems, um mehr persönliche Freiheit und vielleicht noch um eine weltläufigere Außenpolitik, die vielen nach dem Machtwechsel im „Reich des Satans“  von Bush zu Obama möglich schien, sind inzwischen auch systemkritische Töne lauter geworden, die den Übergang von einer theokratischen zu einer säkularen Demokratie fordern.

Die Straßendemonstrationen vor der Wahl hatten ein wenig von der Atmosphäre von Sommerfesten an sich. Doch mit dem unerwarteten Ausgang der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni und dem sich daraus begründet ergebenden Vorwurf der Wahlfälschung war die Party vorbei. Der politische Kampf, der sich anschloß, hat das Regime der Ajatollahs, das vor dreißig Jahren die Monarchie stürzte und durch eine Theokratie ersetzte, an seine Sollbruchstelle geführt, an den komplizierten Ausgleich zwischen Theokratie und Demokratie, der – wenn nicht gar unmöglich – zumindest schwierig ist.

Das fängt schon damit an, daß das Oberhaupt der Islamischen Republik Iran laut Verfassung kein gewählter Politiker ist. Es ist vielmehr ein mythischer „Zwölfter Imam“, der zwölfte Nachfolger Mohammeds, der vor ein paar hundert Jahren verschwunden und seither „verborgen“ sein soll. Ajatollah Ali Khamenei, der „Oberste Führer“, ist „einstweilen“ dessen Stellvertreter. Dieser für die außerhalb der schiitischen Glaubenswelt stehende menschliche Logik nicht auflösbare Gegensatz zwischen Volkssouveränität und Gottesgnadentum, zwischen „Republik“ und diesem „Islam“, ist für das Mullah-Regime zum Balanceakt für die innere Stabilität des Staates und für das Selbstverständnis seiner Gesellschaft geworden.

Man mag der islamischen Revolution zugute halten, daß sie aus dem Iran eine gegen die Zumutungen und Zersetzungserscheinungen des Westens gefeite Bastion nationaler und kultureller Eigenständigkeit geschaffen hat. Das kam dem Gefühl für Stolz und Würde entgegen, das im Iran tiefer grundiert ist als in vielen inzwischen kaputtamerikanisierten, charakterlich ausgebeinten Völkern des Westens. Doch die Erhaltung der kulturellen und politischen Lufthoheit über dem eigenen Territorium wurde nach Meinung vieler Iraner durch abstoßende Formen der Herrschaftsausübung – die Reglementierung des Alltagslebens durch klerikale Einfaltspinsel –, aber auch durch eine bornierte Außenpolitik entwertet, die eine Isolation des Iran und  wirtschaftliche Nachteile nach sich zog.

In den zugespitzten Situationen, die sich daraus zwischen den politischen und gesellschaftlichen Lagern des Landes ergeben, wäre es nun aber wichtig, daß der Vertreter des „verborgenen“ Imam, der „Oberste Führer“, zumindest den Anschein wahrt, weise und gerecht zu sein. Es mag sein, daß es die unerwartete Wucht der Proteste gewesen ist, die Khamenei beim Freitagsgebet letzter Woche die gebotene Ausgewogenheit vergessen ließ, als er vor „Blutvergießen und Chaos“ warnte, sofern die Opposition nicht klein beigäbe und ihre Proteste gegen das umstrittene Wahlergebnis beendete. Kurz darauf bekam er beides. Khamenei hat sich damit selbst zur Partei gemacht. Zudem hat er  an Ansehen eingebüßt, als er sich Arm in Arm mit Mahmud Ahmadinedschad gegen Mir Hussein Mussawi, den ohne Vorsatz zum Revolutionär gewordenen Oppositionsführer, und gegen Ali Akbar Rafsandschani stellte. Rafsandschani ist einer der Gründerväter der Islamischen Revolution, der auch dem „Expertenrat“ vorsitzt, dessen Aufgabe darin besteht, die Arbeit des Obersten Führers zu kontrollieren und bei dessen Tod den Nachfolger zu bestimmen.

Vor allem hat Khamenei mit seinen parteiischen Worten ex cathedra Millionen Wähler verhöhnt und Pathos statt Überzeugung verbreitet. Er hat eine Chance verpaßt, und seine Aura hat Schaden genommen. Nun ist fraglich, ob es ihm noch gelingen kann, das Islamische mit dem Republikanischen so zu versöhnen, daß die Islamische Republik Iran den Ausbruch der unversöhnten Gegensätze, die jetzt zutage treten, noch einmal überleben kann.

Außer einem „Weiter so wie bisher“, wenigstens bis zur nächsten Wahl, sind zwei Szenarien denkbar, nach denen sich das iranische Drama weiter entrollen kann: Immerhin hat der „Wächterrat“, der über dem Parlament und dem Präsidenten steht, und der den Vorwürfen der Wahlfälschung nachzugehen hatte, inzwischen Unregelmäßigkeiten eingeräumt. Viele im Iran hoffen nun, daß die Atempause, die man durch dieses Eingeständnis und mögliche weitere „Nachprüfungen“ gewinnen kann, schlußendlich doch noch konsensuale Lösungen möglich macht – denn auch die klerikale Elite der hohen Räte hat sich inzwischen in diverse Flügel sortiert.

Oder: Zwanzig Jahre nach dem Massaker vom Tien-anmen-Platz in Peking erlebt die Welt eine schlechte Kopie davon in Teheran. Danach würde eine noch brutalere Repression nötig sein, das Herrschaftssystem würde weiter verkrusten und die Kräfte der Opposition würden sich zwischen Resignation und Widerstand verschleißen. Doch ganz gleich, wie das innenpolitische Kräftemessen ausgeht: Nichts im Iran wird „danach“ mehr so sein wie vorher.

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