Harmonie, Aufschwung und Klimaschutz – das sollten die Signale sein, die von der Kabinettsklausur in Meseberg bei Berlin ausgehen sollten. Die Inszenierung klappte einigermaßen, wie lange der Erfolg anhält, bleibt fraglich. Jedenfalls wollten Union und SPD und an der Spitze Kanzlerin Angela Merkel die Botschaft verkünden, daß das Bündnis bis 2009 zusammenhält. Wie auf Kommando vertrugen sich auf einmal auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), die größten Streithähne des Kabinetts. Merkel und ihr Vizekanzler, Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD), traten erstmals seit Monaten wieder gemeinsam vor die Presse. Wer hinter die golden glänzende Fassade von Meseberg blickt, sieht den Lack abblättern. Merkel reitet auf den Wellen des Aufschwungs, der jedoch leicht wieder verflachen könnte. Die amerikanische Immobilienkrise wirft bereits Schatten nach Deutschland. Zwei Banken konnten nur durch massive Stützungsaktionen gerettet werden. Die ganze Blase des internationalen Geldmarktes könnte platzen, und die Auswirkungen würden das geringe Wachstum in Deutschland wieder auf Null bringen. Dennoch will Merkel „die Grundlagen des Aufschwungs stärken“. Dafür wären weitere massive Steuer- und Abgabensenkungen für die breite Masse notwendig, zum Beispiel die Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Das wurde in Meseberg natürlich nicht beschlossen. Statt dessen traktierten die Nebelkerzenwerfer der Großen Koalition die Öffentlichkeit mit anderen Botschaften. Rechtzeitig zur Kabinettsklausur wurde bekannt, daß alle staatlichen und Sozialkassen zusammen im ersten Halbjahr nicht im Minus, sondern erstmals seit sieben Jahren wieder einmal im Plus gelandet waren. Dabei wurde selbst von der Opposition übersehen, daß die Zahlen nicht so gut waren, wie sie auf den ersten Blick aussahen. Denn die Überschüsse wurden in den Sozialkassen und auf Länderebene gemacht. Der Bund bleibt mit rund zehn Milliarden Euro im Minus. Das ist zwar weniger als geplant, zeigt aber, daß es Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit dem Sparen nicht so ernst nimmt, wie er immer behauptet. Statt Steuersenkungen und Aufschwung ist eine andere Botschaft für diese Regierung ohnehin wichtiger: Und das ist ihr weltweiter Einsatz gegen den angeblichen Klimawandel. Auch bei Merkels China-Reise wurde das Thema selbstverständlich als wichtigstes dargestellt. Merkel auf Grönland, in China oder sonstwo auf dem Planeten: Überall stellt sich die Kanzlerin als eine Heldin im Kampf gegen Klimaveränderung dar. Abgesehen davon, daß niemand genau sagen kann, ob es wirklich zu einem Klimawandel kommen wird oder ob es sich nur um regelmäßig vorkommende Temperatur-Schwankungen handelt, verdichtet sich der Eindruck, daß sich Merkel und die Regierung zu diesem Thema flüchten, um von den eigentlichen Problemen abzulenken. So wie Gerhard Schröder die Wahl 2002 mit dem Schüren der Angst vor Krieg gewonnen hat, schüren Merkel und die CDU die Angst vor dem Klimawandel. Denn natürlich hat niemand Lust darauf, eines Tages in den Flammen der Erdhölle zu verbrennen. Daher lassen sich mit Klimawandel gut Steuererhöhungen begründen (Gabriel ließ ja schon den Klimaschutz-Cent prüfen). Die vom Kabinett beschlossenen Maßnahmen belasten den Bundeshaushalt, gefährden das Wirtschaftswachstum, aber ob sie zum Klimaschutz beitragen, ist ungewiß. So soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung auf 25 bis 30 Prozent ausgebaut werden. Damit dürfte auch der letzte Hügel, auf dem noch kein Windrad stehen, bald zugebaut sein. Auch der Anbau von Mais und anderen zur Energieerzeugung einsetzbarer Pflanzen dürfte erheblich ausgeweitet werden. Diesen Trend in der Landwirtschaft gibt es schon seit einigen Jahren, und er führt nach Angaben von Agrarwissenschaftlern dazu, daß die Anbaufläche für Weizen knapp wird. Der letzte, der noch Widerstand leistete, nämlich Wirtschaftsminister Glos, wurde zum Schweigen verdonnert. Denn über Atomstrom, der unbestritten ohne Kohlendioxid erzeugt wird, darf nicht mehr gesprochen werden. Natürlich surft auch die SPD auf der Klimaschutzwelle, wenn auch nur im Windschatten der Kanzlerin, die sich viel besser auf das Geschäft mit der Angst versteht. Beinahe wäre Meseberg noch von Mügeln beschädigt worden. Zeitgleich mit der Klausur wurde eine angeblich rechtsextremistisch motivierte Hetzjagd auf Inder in der sächsischen Kleinstadt bekannt. Interessant war mit Blick auf das Kabinett, daß Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sofort seine Kabinettskollegin Ursula von der Leyen (CDU) angriff, weil diese zu wenig gegen den Rechtsextremismus gekämpft habe. Das zeigt, wie schlecht das Klima in der Regierung wirklich ist und wie jeder versucht, schnell einen Punkt zu machen. Die Kabinettsklausur hat trotz aller künstlich erzeugten Aufschwungs-, Harmonie- und Klimaschutzsignale gezeigt, daß Union und SPD sich nur noch auf dem kleinsten Nenner einigen können. Trotzdem gibt es einen Fortschritt zu vermelden: Die schauspielerischen Fähigkeiten sind erheblich besser geworden.