Ein Ausschuß des US-Kongresses hat eine Resolution verabschiedet, die die Ermordung der Armenier in der Endphase des türkisch-osmanischen Reiches als Völkermord charakterisiert. Die Erklärung hat nur symbolische Bedeutung, doch Symbole sind oft wirkungsmächtiger als Fakten. Für die USA ist die Resolution machtpolitisch ein Eigentor. Denn Amerika braucht die Türkei als Verbündeten dringend. Wie aus den empört-beleidigten Reaktionen der Türkei hervorgeht, hat der Armenien-Beschluß den Beziehungen zu einem Kernverbündeten großen Schaden zugefügt. Für die militärischen Abenteuer der USA im Irak und in Afghanistan wäre der Verlust des türkischen Hinterlands logistisch fatal. Die Regierung Bush sieht richtig, daß die türkische Unterstützung schon jetzt kurz vor dem Einsturz ist. Realpolitisch abwegig, ist die Resolution aber auch kein Sieg der Moral über die Tagespolitik. Vielmehr Ausdruck eines typischen Verständnisses von Außenpolitik. Sie wird nicht allein vom Weißen Haus bestimmt. Auch x-beliebige Abgeordnete spielen kräftig mit, sind Nutznießer mächtiger, meist ethnischer Lobbys, die – anders als die US-Wähler – an Außenpolitik interessiert sind. Das Ergebnis ist eine oft widersprüchliche Außenpolitik. Überreaktionen wie nun in der Türkei sind allerdings unangebracht. Präsident Gül sieht richtig, daß „US-Politiker wieder einmal große Probleme für kleine innenpolitische Spielchen opfern“, doch – mit Blick auf die Kurden – würde Ankara etwas mehr Selbstkritik und Ehrlichkeit gut anstehen.