In Hamburg hat vor zwei Wochen die Demokratie in zweifacher Hinsicht einen wunderbaren Sieg errungen – ohne daß die Masse der überregionalen Medien überhaupt Notiz davon genommen hat. Einerseits ist es den Hamburgern durch ihren erfolgreichen Volksentscheid (253.000 bei 240.000 erforderlichen Stimmen) endlich einmal gelungen, daß Bürger und nicht die Parteien Einfluß auf die gesetzgebende Gewalt nehmen konnten – das Ganze auch noch mit sofortiger Wirkung ohne weitere Einflußmöglichkeit der Polit-Profis. Zugleich wurde durch ebendiesen Volksentscheid – angeregt durch den Verein „Mehr Bürgerrechte“ – langfristig die Macht des Wählers gestärkt. Nun haben die Hansestädter bei künftigen Wahlen zur Bürgerschaft die Möglichkeit, mit insgesamt zehn Stimmen durch Panaschieren (Stimmenverteilung auf verschiedene Kandidaten) und Kumulieren (Stimmenhäufung auf einen Kandidaten) ihre sie vertretenden Abgeordneten zu wählen. Niemand braucht sich mehr mit dem sonntäglichen Abnicken der nach parteiinternen Faktoren festgelegten Listen zufriedenzugeben. Insbesondere bei den großen Parteien, die diese Struktur zum Prinzip machten, fand der Entscheid nur mißmutigen Beifall. Dabei sollten alle, die über das zunehmende Desinteresse der Bürger an der Politik klagen, sich über die gelungene Umkehr freuen. Denn nun müssen die Fähigsten mehr um die Gunst ihrer Wähler als um die der Parteifreunde buhlen. Damit wird auch ein neuer, attraktiverer Politikertyp verlangt – die Persönlichkeit statt des Opportunisten.
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