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In eigener Sache: Online-Kommentare nerven

In eigener Sache: Online-Kommentare nerven

In eigener Sache: Online-Kommentare nerven

Shitstorm
Shitstorm
Wegen ihrer Anti-Patriotismus-Kampagne haben die Jusos Hannover mit einem Shitstorm zu kämpfen Foto: Picture Alliance / dpa
In eigener Sache
 

Online-Kommentare nerven

Über 1.000 Leserkommentare erreichen JF-online täglich. Hauptamtliche Redakteure sind dazu verdammt, sich durch eine kaum noch zu bewältigende Flut zu kämpfen. Und die Kommentare nerven zunehmend. Es wäre vielleicht besser, sie abzuschaffen. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein
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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Schon seit längerem ärgere ich mich über die Kommentare unter Artikeln auf unserer Internetseite. Sie werden in der Regel überwiegend nur von einer lediglich wenige Dutzend Internetnutzer zählenden Gruppe geschrieben. Teilweise trollen sich die Beteiligten gegenseitig. Oft findet das immer gleiche Ping-Pong statt von bereits hundertfach ausgetauschten Schlagworten und Anrempeleien.

Es wird in eigenartigen Chiffren diskutiert, die Rede ist vom „BRD-System“, von den „VSA“ statt den USA, eine Sprache von Parallelwelten, mit denen der Normalbürger keinen Kontakt hat und die er auch ungern kennenlernen möchte.

Peinliche Wortmeldungen

Wenn ich mit JF-Lesern spreche, fällt mir regelmäßig auf, wie oft die Berichterstattung auf unserer Internetseite gelobt wird – gleichzeitig aber beklagt wird, daß das Niveau der Kommentare unangenehm sei, diese als nicht repräsentativ empfunden werden und den Ruf der Zeitung beschädigen.

Viele Leser, die zeitweise versucht haben, Diskussionen mit Niveau anzustoßen, gaben frustriert wieder auf, weil ihre Beiträge untergingen und sie von Trollen und Pöblern abgeschreckt waren. Das ist ein Grundproblem unserer Tage: Das Gebrüll, Gezeter, der Überbietungskampf um die immer radikalere Parole, der Zynismus, die Schadenfreude – das schreckt die Besonnenen, die Abwägenden, die Differenzierenden, die Kultivierten ab.

Eine Flut von über 1.000 Kommentaren am Tag

Inzwischen erreichen uns täglich über 1.000 Leserkommentare. Hauptamtliche Redakteure sind dazu verdammt, sich durch eine kaum noch zu bewältigende Flut zu kämpfen. Kaum jemand weiß, wie viel sie täglich löschen müssen. Gewaltaufrufe, strafrechtlich relevante Inhalte, wüste Beleidigungen. Wir wissen nicht, ob die uns zunehmend nervenden Kommentatoren überhaupt zahlende Abonnenten sind. Sie lesen die Artikel unserer Internetseite, die – noch – gratis zu lesen sind, und sie verleihen unserer Seite eine Schlagseite, die wir nicht wollen. Und sie schreiben überwiegend unter Pseudonym, währen die Redakteure unter Klarnamen schreiben. Können wir so weitermachen?

Einzige Lösung: Kommentarfunktion abschaffen

Ich kann es inzwischen verstehen, daß viele Zeitungen ihre Kommentarfunktion teilweise oder ganz deaktiviert haben. Der Aufwand, ernsthafte Leserbriefe von Pöbelei und niveaulosem Getrolle zu trennen, steht in keinem Verhältnis mehr.

Wir appellieren an unsere Leser, die die Kommentarfunktion retten wollen, mitzuhelfen, daß das Niveau gehoben wird und der Diskussionsstil sich verbessert. Ich selbst bin skeptisch. Wir werden sonst schon bald – mit großem Bedauern – diese Möglichkeit massiv einschränken oder uns von ihr verabschieden.