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„Fall Battke“: Kehraus gegen Rechts

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„Fall Battke“
 

Kehraus gegen Rechts

Ein Schornsteinfeger aus Sachsen-Anhalt darf laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts seinen Beruf nicht mehr ausüben. Das einst von Linken bekämpfte Berufsverbot feiert fröhliche Urstände. Ein Kommentar von Thorsten Hinz.
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Schornsteinfeger bei der Arbeit: Das Grundrecht auf freie Berufsausübung steht nun unter Gesinnungsvorbehalt Foto: Flickr/Andreas Buthmann mit CC-Lizenz https://tinyurl.com/29lbbw

Der Schornsteinfeger Lutz Battke aus Sachsen-Anhalt darf laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts seinen Beruf nicht mehr ausüben. Battke sitzt für die NPD im Stadtrat von Laucha, ohne Parteimitglied zu sein. Im Urteil heißt es, seine Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung für die Attentäter auf Außenminister Walther Rathenau mache deutlich, daß er schwerste und zudem antisemitische Straftaten billige.

Damit offenbare er eine antisemitische und rassistische Grundhaltung, die elementare Grundrechte von Mitbürgern geringachte. Das sei für die Berufsaufgaben eines Bezirksschornsteinfegermeisters nicht außer acht zu lassen. Das Gericht folgte damit dem Antrag der CDU-geführten Landesregierung und hob die Urteile zweier Vorinstanzen auf. Diese hatten argumentiert, daß ein Bezirksschornsteinfeger nicht daran gemessen werden könne, ob er verfassungstreu sei. Für die Ausübung seines Berufs spiele das keine Rolle.

Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung

Die politische Einstellung Battkes und seine außerdienstlichen Aktivitäten mag man problematisch finden. Die Folgerung, sie tangierten die „elementaren Grundrechte“ der Kunden im Kehrbezirk, klingt dennoch abenteuerlich. Eindeutig ist hingegen die Aufhebung seines – Battkes – Grundrechts auf freie Berufsausübung.

Bisher haben die Bundesgerichte die individuellen Grundrechte in aller Regel gestärkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun einen Paradigmenwechsel vollzogen und sie unter einen politischen Gesinnungsvorbehalt gestellt. Das heißt, ein Grundrecht schützt nicht länger vor staatlichen Übergriffen, sondern wird dem Bürger vom Staat zugeteilt und kann bei mangelndem Wohlverhalten wieder entzogen werden.

„Radikalenerlaß“ geschah vor zeitgeschichtlichem Hintergrund

Die Praxis der Berufsverbote ist nicht neu. 1972 wurde unter Kanzler Willy Brandt (SPD) der „Radikalenerlaß“ eingeführt. Brandt hat rückblickend erklärt, er sei damals der Meinung gewesen, daß man nicht beides haben könne: die Staatspension und die Weltrevolution. Nicht geahnt habe er freilich, welches Ausmaß die Gesinnungsüberprüfung annehmen und daß sie sich auf Briefträger oder Lokführer auswirken würde.

Zu bedenken ist auch der zeitgeschichtliche Hintergrund: Es herrschte Kalter Krieg, der zugleich ein innerdeutscher Bürgerkrieg war. Parteigänger der DDR sollten von strategisch oder logistisch wichtigen Positionen ferngehalten werden. Heute aber geht es allein darum, durch soziale Repression ein alternatives Meinungslager zu vernichten.

Luther-Preis für steckbriefartige Broschüre

Die gerichtlich abgesegnete Praxis läßt sich leicht auf weitere Berufe und Bereiche ausweiten. Schon wird erörtert, ob „Rechte“ überhaupt studieren dürfen. Bei der Ruderin Nadja Drygalla führte die politisch mißliebige Partnerwahl zum (zeitweiligen) sozialen Ausschluß. Ein Bündnis „Keine Bedienung für Nazis“, dem Regensburger Gastwirte angehören und das eine steckbriefartige Broschüre herausgegeben hat, wurde gerade mit dem Luther-Preis ausgezeichnet. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Gastwirte sich freiwillig oder wie viele sich lediglich aus Furcht vor sozialem Druck angeschlossen haben.

Derartige Praktiken sind keine Exklusivität der Bundesrepublik oder von Diktaturen. In dem 1835 erschienenen Buch „Die Demokratie in Amerika“ sezierte Alexis de Tocqueville die „Tyrannis der Mehrheit“, die den Andersdenkenden zum sozialen Kältetod verurteilt. Wobei die Mehrheit, wie man spätestens seit Elisabeth Noelle-Neumanns „Schweigespirale“ weiß, oft bloß eine scheinbare ist, die sich allerdings auf eine überwältigende Medienpräsenz stützt.

Erzeugung des „niederträchtigsten Typs des Amtsträgers“

Normalerweise setzen Demokratie und Rechtsstaat dem Kesseltreiben Grenzen. Auch die relative Autonomie der unterschiedlichen Teilsysteme: Politik, Wirtschaft, Recht, Kultur, Sport, Wissenschaft, Kirchen wirkt ausgleichend und sorgt für Ausweichmöglichkeiten und Schutz. Daher hat die Prognose Tocquevilles sich zuerst im nachrevolutionären Rußland verwirklicht. Dort gab es die „Lischenzy“, die Entrechteten. Es handelte sich um ehemalige Beamte, Offiziere, Geistliche, Angehörige der alten Intelligenz, denen das Wahlrecht und andere Bürgerrechte wie der Zugang zu Schulen, kommunalen Wohnungen und Lebensmittelkarten verwehrt waren.

In einen vergleichbaren Zustand minderen und permanent verminderten Rechts gerät in Deutschland alles, was irgendwie rechts ist. Der Begriff „Zivilgesellschaft“ bezeichnet eine Entwicklung, in der die Systemautonomie durch Zentralisierung und Ideologisierung aufgehoben wird. Die Zivilgesellschaft ist eine in sich abgestufte und strukturierte, einerseits reflexhaft reagierende, andererseits strategisch operierende Hetzmeute der Rechtgläubigen. Sie läßt jenen „niederträchtigsten Typ des Amtsträgers“ wieder auferstehen, den einst sowjetische Dissidenten beklagten.

Im Buch „Die Flüsterer“ zitiert der Historiker Orlando Figes den Beschwerdebrief eines Sowjetbürgers aus dem Jahr 1932: „Um mich herum sehe ich nichts als ekelhaftes Politisieren, schmutzige Tricks und Menschen, die eines Versprechers wegen vernichtet werden. Die Denunziationen nehmen kein Ende. Man kann nicht ausspucken, ohne irgendeinen widerlichen Denunzianten oder Lügner zu treffen. Das Atmen wird einem unmöglich gemacht. Je weniger begabt irgendein Lump ist, desto gemeiner sind seine Verleumdungen.“ Für diesen Menschentyp bedeutet das Battke-Urteil eine grenzenlose Freude.

JF 47/12

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