BERLIN. Der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, soll entgegen früheren Beteuerungen doch Kontakt zum Ministerium für Staatssicherheit der DDR gehabt haben. Wie die Welt am Sonntag berichtet, besprach Gysi am 16. Februar 1989 mit zwei Stasi-Offizieren der für den Justizapparat zuständigen Abteilung XX der MfS-Bezirksverwaltung Berlin ein Interview über „Recht im SED-Staat“, das er dem Spiegel gegeben hatte. Der Linkspartei-Politiker war damals Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte in der DDR.
Gysi sagte laut dem Gesprächsprotokoll, daß die Abteilung Staat und Recht des Zentralkomitees der SED seiner persönlichen Einschätzung nach das Interview für den Spiegel „aus Gründen der Unseriosität des Blattes und den damit verbundenen Gefahren für eine ordnungsgemäße Wiedergabe“ nicht hätte gestatten sollen. Dies legt den Eindruck nahe, daß er das Interview mit dem Spiegel auf Anordnung des ZKs geführt hatte, aus „Gründen der Dialogpolitik“.
Gegenüber dem Neuen Deutschland hatte Gysi das Interview anläßlich des 20. Jahrestags der Veröffentlichung als mutige Entscheidung dargestellt. Ein solches Gespräch mit dem im Politbüro unbeliebten Magazin sei für ihn „nicht ganz ohne“ gewesen.
Strobl bezichtigt Gysi der Lüge
Entscheidender aber ist, daß, sollte das Dokument authentisch sein, Gysi rechtliche Probleme bekommen könnte. Der Jurist hatte sich gegen die Ausstrahlung der Dokumentation „Die Akte Gysi“ durch den NDR gewehrt. Dazu hatte er auch eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, in der es unter anderem heißt: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet.“ In dem Gespräch aber hatte mit den beiden Stasi-Offizieren unter anderem über den Spiegel Redakteur Ulrich Schwarz gesprochen.
Durch das Dokument steht Gysis Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. In einer aktuellen Stunde im Bundestag zu seinem Verhältnis zur Stasi hatte Gysi im Mai 2008 versichert: „Ich hatte Gespräche mit dem Zentralkomitee, der führenden Kraft der DDR. Ich brauchte keine Kontakte zur Staatssicherheit. Sie waren gar nicht nötig, entsprachen weder meinem Stil noch meiner Würde.“
Der Vorsitzende des Immunitätsausschusses des Bundestags, Thomas Strobl (CDU), bezichtige Gysi deswegen gegenüber der Welt am Sonntag nun der Lüge: „Ich bin davon überzeugt, daß er die Abgeordneten über seine Kontakte zur DDR-Staatssicherheit belogen hat. Damit ist er als Volksvertreter diskreditiert“. (krk)