Am Anfang standen eigentlich hehre Absichten. Oder will wer behaupten, daß beispielsweise die Emanzipation der Arbeiterschaft oder die Emanzipation der Frau überflüssige Irrwege waren? Dennoch wird man schwerlich übersehen können, daß dieses Streben nach Emanzipation irgendwann in seiner Entwicklung ganz gehörig entartet ist. Das heutige Kasperletheater kann man jedenfalls nicht länger ernst nehmen. Betrachten wir die Sache einmal näher.
Was früher in der Gesellschaft schlicht als bekloppt galt, heute feiert es fröhliche Urstände. Und finden sich genug Bekloppte zusammen, so gibt es schon eine Emanzipationsbewegung, welche eine „Repression durch die Mehrheitsgesellschaft“ beklagt. Das Klagen kann sich lohnen, denn gelangt man an die Fleischtöpfe der „Mehrheitsgesellschaft“ – bester Beweis, daß eine Repression nur in der Phantasie stattfindet – kann man diese mit viel Geld darüber aufklären, daß man gar nicht bekloppt ist.
Zumindest ist man nicht so dumm wie die „Mehrheitsgesellschaft“, die das mit sich machen läßt. Klaglos, man will ja nicht dem Anliegen der Emanzipation im Wege stehen. So wird noch der größte Unsinn öffentlich unwidersprochen verbreitet. Selbstverständlich gibt es die Emanzipationsbewegung der „Transsexuellen“. Das Problem aber ist, daß es letztere überhaupt gar nicht gibt. Denn der menschliche Körper steht auf einer Höhe der Evolution, die es ihm unmöglich macht, das Geschlecht zu wechseln.
Von „Menschenhaß“ und Menschenhaß
Was es aber gibt sind Menschen, die sich mithilfe von Ärzten ihr Geschlecht verstümmeln lassen, sodaß sie äußerlich dem anderen Geschlecht ähneln. Nun, ich bin durchaus der Meinung, daß diese Menschen einen Arzt benötigen, allerdings keinen Chirurgen. Ein befreundeter Mediziner, der bei solchen Operationen assistierte, hat mir das unter der Hand auch bestätigt. Und doch machen sie bei diesem Irrsinn mit: Ärzte, Krankenpfleger, Journalisten, sie alle.
Sie alle machen mit bei diesem erbärmlichen Spiel und bewundern des Kaisers neue Kleider. Wie nennt man das noch einmal, wenn jemand etwas gegen diese oder jene Emanzipationsbewegung hat? Ach ja, „Menschenhaß“. Wer möchte den ersten Stein werfen, wer möchte mir „Menschenhaß“ vorwerfen? Den will ich fragen, wer der wirkliche Menschenhasser ist: derjenige, der aus ideologischen Gründen eine Krankheit verschweigt, oder derjenige, der sie dem Patienten mitteilt?
Warum nicht gleich die Emanzipationsbewegung der Krebskranken? So ein schöner, üppig wuchernder Tumor, das ist doch eine Freude ihm zuzuschauen. Es ist nur unsere verklemmte bürgerliche Moral, die hier eine überkommene Norm von Gesundheit durchsetzen will. Ja, es herrscht allgemeine Aufbruchsstimmung. Jeder möchte sich emanzipieren. Hätten Pickel ein Selbstbewußtsein und könnten sprechen, würden sie heute sicher auch „Repressionen durch den Mehrheitskörper“ beklagen.
Des Menschen kostbarster Besitz
So treibt es dahin, unser Narrenschiff, auf dem Weg zu der Tragödie letztem Akt. Denn es ist tragisch, was mit diesem Schiff – tief verborgen in seinem Rumpf – noch untergehen wird. Ein Kleinod, des Menschen kostbarster Besitz: es ist die Sehnsucht nach Freiheit. Die menschliche Sehnsucht nach Freiheit ist es doch, welche als historische Initialzündung die Emanzipationsentwicklung vorantrieb. Die Sehnsucht nach Freiheit vor sozialer Ausbeutung und Unterdrückung, sie stand am Anfang.
Doch der Philosoph Isaiah Berlin verwies zu Recht darauf, daß es zwei Formen der Freiheit gibt: Die Freiheit von etwas und die Freiheit für etwas. Die bisherigen Emanzipationsbewegungen haben nur die Freiheit von etwas gefordert. Die Freiheit von Pflichten, von Verantwortung, von Organisation des Gemeinwesens. Aber bisher hat noch keine Emanzipationsbewegung gezeigt, daß es eine bessere Gesellschaft an die Stelle der alten setzen kann. Oder sind die Bürger im Sozialismus etwa freier geworden?
Und was die Emanzipation der Frau betrifft, so sind Dank ihrer in ein, zwei Generationen sowieso die verschiedenen sinnigen und unsinnigen Emanzipationsbewegungen Vergangenheit. Kurzum: die positive Freiheit wurde bisher nicht eingelöst. So hat sich aber ein geistiges Vakuum gebildet, in das zwar allerlei ideologische Hirngespinste hinein gesponnen wurden, das aber sozial nicht tragfähig war. In diese Leere wurde nun wie von einer Saugglocke allerlei Unrat angezogen, der jetzt mitten unter uns umhergeht.
Es gibt nur eine Möglichkeit, diese soziale Besessenheit wieder auszuscheiden: sich freimütig zur Wahrheit bekennen und in dieser Wahrheit bleiben. Denn die Wahrheit ist es, die uns frei machen wird. Der Rest möge sich zur Schweineherde gesellen. Bis zu den Ufern eines gewissen Sees ist es ja nicht mehr weit.