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Debatte: Die konservative Renaissance

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Braunschweig_Gewandhausgiebel
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Debatte
 

Die konservative Renaissance

Selten wurde soviel über Konservatismus geschrieben wie in den letzten Tagen. Doch wer kann das Vakuum füllen, das auf dem demokratisch-rechten Flügel des politischen Spektrums existiert? Von Dieter Stein
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Rennaissancegiebel am Gewandhaus in Braunschweige: Rückkehr der Konservativen? Foto: Wikipedia/Brunswyk

Selten wurde soviel über Konservatismus geschrieben wie in den letzten Tagen. Die Welt am Sonntag machte gar mit einem „Aufstand der Konservativen“ auf, und die Süddeutsche Zeitung titelte Anfang der Woche: „CDU fürchtet rechte Konkurrenz“.

Notwendigerweise mündete die mediale Erregung über die Sarrazin-Thesen in eine Debatte über das Parteiensystem: Wo findet sich ein politischer Akteur, der die von Sarrazin formulierte konservative Agenda umsetzt? Welche Partei hat den Mut, sich die vernünftigen, rigorosen Forderungen des Sozialdemokraten zur Integrations- und Bevölkerungspolitik zu eigen zu machen?

Nachdem Sarrazins Thesen einen fundamentalen Bruch mit linker Politik bedeuteten, die Spitzen von Union und FDP jedoch ebenfalls von Sarrazin abrückten, stellt sich automatisch die Frage nach dem riesigen Vakuum, das auf dem demokratisch-rechten Flügel des politischen Spektrums existiert.

Wen sollen Anhänger Sarrazins denn nun wählen?

Wen sollen Anhänger Sarrazins denn nun wählen, wenn selbst der Generalsekretär der CSU diesem wegen seiner Forderungen einen „Knall“ attestiert? Meinungsforscher haben jetzt gemessen, daß jeder fünfte Wähler eine Partei rechts der Union wählen würde. Spekulationen über eine fiktive „Sarrazin-Partei“ unter Führung von Friedrich Merz und Joachim Gauck schießen ins Kraut. Es wäre zu schön, um wahr zu sein.

Die Chance, das von CDU, CSU und übrigens auch FDP rechts geräumte Feld zu besetzen, ist eine theoretische. Praktisch findet eine rechtsdemokratische Partei, im Gegensatz zur Linkspartei, die sich in Mitteldeutschland auf die PDS/SED und im Westen auf die von Teilen der mächtigen Gewerkschaften gestützte WASG gründen konnte, weder vergleichbare Bedingungen noch Ressourcen. Schon gar keine Presse, die einem „rechten“ Projekt mit ähnlichem Wohlwollen wie der Linken begegnete.

Hinzu kommt etwas anderes, worauf Holger Schmale in der linken Frankfurter Rundschau hinweist: Bürgerliche Konservative seien zu feige, „über das Jammern hinaus Stellung zu beziehen für konservative Positionen“. Tatsächlich scheitern ernstzunehmende parteipolitische Alternativen schon an dem Punkt, daß sich namhafte Intellektuelle, Unternehmer, leitende Beamte wie Sarrazin zu Dissidenten erklären müßten.

Die Feigheit der Bürgerlichen

Die Bereitschaft, für seine Überzeugungen Nachteile in Kauf zu nehmen, ist gering. Zwischen der Allmacht der Linken und der Feigheit der Bürgerlichen gibt es also einen dialektischen Zusammenhang. Doch es gibt Ansätze für konservatives Rebellentum: ob bei der Volksabstimmung über die Schulreform in Hamburg oder beim Marsch für das Leben am kommenden Wochenende in Berlin.

Die Union kann nicht dauerhaft darauf spekulieren, daß ihr politisches Monopol unangetastet bleibt. Die Wut der Bürger ist groß. Eine konservative Renaissance liegt in der Luft. Politisch wirksam wird sie jedoch nur, wenn die Parteien Druck spüren. Und politischer Druck artikuliert sich letztlich immer nur dann, wenn es zu einer ernstzunehmenden Alternative bei Wahlen kommt. Und dafür waren die Chancen schon lange nicht mehr so groß wie heute.

JF 38/10

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