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Begriffsmanscherei

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Cato, Weidel, Exklusiv

Laut Wittgenstein haben Begriffe „unscharfe Ränder“. Ist beispielsweise ein motorisiertes Dreirad eher ein Motorrad oder ein Auto? Kommt es bei der Beantwortung dieser Frage auch auf die Zahl der Sitze oder auf die Art der Karosserie, der Überdachung an?

Wir haben zweifellos „stereotypische“ Bilder von Autos und Motorrädern im Kopf, bemerken aber bei unseren Versuchen, die Welt zu unterteilen, indem wir Begriffe definieren, unendlich viele Übergangsformen, Schwammigkeiten und „Interpretationssachen“.

Der Dichter kann sich den daraus folgenden unerschöpflichen Reichtum der Sprache zunutze machen, aber der Wissenschaftler oder auch der an Systematisierung der Dinge interessierte Philosoph sollten darauf achten, ihre Begriffe möglichst zu präzisieren.

Die Unübersichtlichkeit des großen Sprachteppichs

Dem Politiker hingegen kommt die Unübersichtlichkeit des großen Sprachteppichs, an dem überall weitergewebt – sowohl kunstvoll gefertigt als auch geflickt und ausgebessert – wird sehr zugute, um jedem alles zu versprechen oder auch anzuhängen.

Zuviel Festlegung empfindet er bei seiner Herrschaftsausübung als schädlich; deswegen redet er so gerne von „den Menschen“, die irgendetwas wollen oder nicht wollen, von der „Gesellschaft“, „unseren Werten“ oder – wenn’s hochkommt – von „seinen Visionen“.

Noch schlimmer als solche sinnentleerten, alles und nichts bedeutenden Worthülsen – „ich finde Veränderung spannend“ (so jüngst ein besonders schönes Beispiel der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt) – sind aber die bewußten Begriffsmanschereien, bei denen alles zusammengeworfen wird, was nicht zusammengehört, so daß eine rationale Diskussion nicht nur, wie durch nichtssagende Phrasen, verweigert, sondern geradezu absichtlich hintertrieben wird.

Schutz vor hetzerischer Anfeindung

So glaubte Horst Seehofer kürzlich Erika Steinbach in Schutz vor hetzerischer Anfeindung nehmen zu sollen, indem er ihr, in fast schon DDR-typischer Sprache, bescheinigte, sie sei „eine aufrechte Demokratin“ und keine „Revisionistin“.

Das mag zwar gut gemeint sein – aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ein Demokrat vertritt das Prinzip der Volksherrschaft und ist dafür, daß diese vom Volk „in Wahlen und Abstimmungen“ vollzogen wird – ein Revisionist arbeitet, sofern er Historiker ist, an der Revision gängiger Geschichtsbilder, wie eine wohlwollend-allgemeine Definition lauten könnte.

In einem engeren (und negativen) Sinne, der sich im öffentlichen Sprachgebrauch durchgesetzt hat, versteht man darunter insbesondere jemanden, der die von  (tatsächlichen oder angeblichen) Fachleuten vertretenen Lehrmeinungen zum Thema „Drittes Reich“ mit scheinwissenschaftlichen – etwa ideologisch selektiven oder verschwörungstheoretischen (beziehungsweise sich gegen Kritik immunisierenden) – Pseudo-Argumenten zu widerlegen sucht.

Ob jemand, der als Historiker so verfährt, politische Wahlen und Abstimmungen bejaht oder verneint, steht auf einem ganz anderen Blatt. Offenbar handelt es sich um einen „category mistake“, wie die sprachanalytischen Philosophen sagen.

Denunzianten, Spitzel, Blockwarte

Die Sprachmanscherei, bei der nicht nur die Ränder, sondern die gesamten Begriffe verwischt und vermischt werden – in diesem Fall, um eine „werteorientierte“ Demokratie-Weltanschauung statt eines Systems politischer Willensbildung zu propagieren –, liegt im Interesse der Herrschenden oder der ihnen zuarbeitenden Medienleute, Denunzianten, Spitzel, Blockwarte und Anständigen.

Sie definieren die Begriffe – etwa von „rechts“ und „links“, „tabu“ und „erlaubt“ – eigentlich gar nicht, wie ihnen oft vorgeworfen wird, sondern sie entgrenzen sie vielmehr, um ihnen alles unterschieben zu können, was ihnen gerade genehm ist.

Das Ergebnis ist dann die Gefühlsdemokratie eines Wolfgang Thierse, der kraft seines „gesunden Volksempfindens“, gepaart mit Amtsgewalt, darüber befindet, welche Gruppierung für welches Anliegen demonstrieren darf oder durch „zivilgesellschaftliches Engagement“ bei der Ausübung ihrer Grundrechte zu stören ist.

Nur wenn es einen gemeinsamen Schatz von hinreichend genau definierten Begriffen gibt, kann man sinnvoll argumentieren; eine Aufgabe jeder wirklichen Opposition besteht also in deren Schärfung und Abgrenzung. Wer keine Keule hat, muß wenigstens sein Messerchen wetzen.

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