Sachsens Landespolizeipräsident Bernd Merbitz ist bekannt für sein „herausragendes, weit über seine Dienstpflichten hinausgehendes Engagement im Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“. So jedenfalls begründete der Zentralrat der Juden in Deutschland im vergangenen Jahr die Verleihung des Paul-Spiegel-Preises für Zivilcourage an Merbitz. Seine Äußerungen nach der Blockade des „Trauermarsches“ der NPD-nahen Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) in Dresden Mitte Februar passen da ins Bild. Merbitz begründete das passive Verhalten der Polizei gegenüber den Blockieren mit dem Hinweis, es hätte sich verboten, die Strecke freizuräumen und mit „Gewalt gegen Kinder und ältere Frauen“ vorzugehen. Schließlich sei von den Blockieren keine Gewalt ausgegangen.
Die Pressemeldung der Polizeidirektion Dresden liest sich allerdings etwas anders. Dort ist von „massiven“ Angriffen auf die Polizei durch linke Gegendemonstranten die Rede. Beamte seien mit Pflastersteinen beworfen worden. Zwölf beschädigte Reisebusse, acht zerstörte Autos, 15 verletzte Polizisten, zahlreiche Festnahmen unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs, Sachbeschädigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz sowie das Waffengesetz – das ist die Bilanz des 13. Februar: für Landespolizeipräsident Merbitz offenbar nicht der Rede wert.
„Festen feiern und Privilegien haben“
Bloß nicht anecken: Mit dieser Devise hat Sachsens ranghöchster Polizist eine beeindruckende Karriere hingelegt. 1956 im thüringischen Zumroda geboren, begann er in den siebziger Jahren seine Ausbildung bei der Polizei. Als Sohn eines SED-Kreisleiters hatte er sich früh für den Dienst bei der Polizei entschieden. Als junger Mann habe er einmal bei einem SED-Fest als Kellner gearbeitet und es zwar als widerlich empfunden, was die Gäste damals alles gegessen und getrunken hätten, ohne dafür bezahlen zu müssen. Aber für ihn habe auch festgestanden, „daß ich es auch schaffen und auf solchen Festen feiern will und solche Privilegien haben möchte“, sagte Merbitz 1990 gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ).
Seine SED-Mitgliedschaft dürfte dabei ein wichtiger Schritt gewesen sein. Von 1984 bis 1986 studierte Merbitz an der Hochschule der Deutschen Volkspolizei in Berlin. Die Prüfung zum Diplom-Sozialwissenschaftler schloß er mit der Note 1 ab, weiß die SZ zu berichten. Während der friedlichen Revolution von 1989 war Merbitz Chef der Leipziger Mordkommission. 1991, mittlerweile aus der SED ausgetreten, wurde er Leiter der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz beim Landeskriminalamt Sachsen und baute die Sonderkommission Rechtsextremismus mit auf. Nach Stationen bei den Polizeidirektionen Grimma und Westsachsen wurde er 2007 Landspolizeipräsident. Auch politisch ist Merbitz aufgestiegen: Im November vergangenen Jahres wurde er in den Landesvorstand der CDU gewählt.
Auf keine Fall Außenseiter sein
Daß Merbitz auch in der Bundesrepublik Erfolg haben würde, stand für ihn schon vor der Wiedervereinigung fest. Der Süddeutschen Zeitung sagte er im August 1990: „Ich bin überzeugt davon, daß die Umstellung auf den neuen Staat Leuten wie mir leichter fällt als den Menschen, die im Herbst die Revolution gemacht haben. Diese Menschen werden auch in der Zukunft Außenseiter bleiben.“ Und Außenseiter sein, das wollte Merbitz – zu dessen Lieblingsgruppen die Punk-Band Die Toten Hosen gehört, die einst textete: „Wir schießen zwei, drei, vier, fünf Bullen um, wenn es nicht mehr anders geht“ – auf keinen Fall.
Vor diesem Hintergrund ist seine Beurteilung der Vorgänge um den „Trauermarsch“ in Dresden nur allzu verständlich. Schließlich kann man schnell zum Außenseiter werden, wenn man Grundrechte für Rechte durchsetzt. Diese Erfahrung mußte zum Beispiel der Dresdner Oberstaatsanwalt Christian Avenarius („auch braune Dumpfbacken können für sich die Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen“) machen, nachdem er in der vergangenen Woche angekündigt hatte, zu prüfen, ob die Blockade der JLO-Demonstration rechtswidrig war. Die Antwort kam prompt: Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, Johannes Lichdi, forderte Avenarius auf, „die verbale Kriminalisierung friedlicher Demonstranten zu unterlassen“. Es könne nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein, Menschen einzuschüchtern, „die sich dem Treiben von Neonazis widersetzen“.
JF 9/10
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