WIEN. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verhandelt aktuell mit der SPÖ und den liberalen Neos über eine neue Koalition. Sehr zum Ärger der FPÖ, denn die Partei unter Herbert Kickl ging mit als klarer Sieger der Nationalratswahl hervor. Stimmenstärkste Kraft wurden die Freiheitlichen nicht zuletzt dank ihres harten Kurses in der Frage der Zuwanderung. Um FPÖ-Wähler ins Boot zu holen, läßt Nehammer nun mit einer Überlegung aufhorchen: Die kommende „Zuckerlkoalition“ könnte einen eigenen Migrationsminister vereidigen.
In einem Gespräch mit der Zeitung Heute erläuterte der ÖVP-Obmann die Themen, die für ihn höchste Priorität haben. „Neben der Stärkung des Standorts, Migration und Integration setze ich klar auf eine Ausgabenbremse, anstatt primär über neue Einnahmen nachzudenken“, so der Kanzler. Zudem fordert er zügige Maßnahmen: „Jede Entscheidung muß für die Menschen rasch nachvollziehbar und spürbar sein.“ Besonders die Themen Asyl und Migration möchte er offensiv angehen. „Die Bürgerinnen und Bürger leiden unter den Fehlentwicklungen in diesem Bereich. Die Volkspartei ist da, um Probleme zu lösen, nicht um von ihnen zu leben“, erklärte Nehammer.
Kein reines Symbolministerium
Auf die Frage nach einem eigenen Migrationsministerium äußerte Nehammer Interesse: „Warum nicht? Es sollte keine Denkverbote geben. Migration, Integration und illegale Migration sind Querschnittsthemen, die mehrere Ministerien betreffen. Es stellt sich die Frage, wie man diese besser bündeln kann.“ Allerdings betonte er, daß er rein symbolische Ressorts ablehne: „Alles, was wir schaffen, muß mit Budgetkompetenz und klaren Zuständigkeiten verbunden sein. Es geht um Kompetenz, Verantwortung und konkrete Lösungen.“
Der bekannte Wiener Politikexperte Peter Hajek hält Nehammers Schwerpunkt auf Migration und Integration für nachvollziehbar. „Das ist zum einen seine Aufgabe als Kanzler, zum anderen betrifft dieses Thema alle Wählerschichten. Die Menschen erwarten, daß der Staat Zuwanderung nach Österreich klar regelt.“ Ein eigenes Ministerium könnte laut Hajek das Gewicht dieser Themen unterstreichen und sei angesichts globaler Krisenherde langfristig relevant. Zudem könnte ein solches Ministerium auch eine Brücke zu FPÖ-Wählern schlagen, wenn es sowohl Asyl- und Zuwanderungsfragen als auch Integration umfaßt. (rr)