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Die Gnade der Götter

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Wenn René Jacobs, der Meister der barocken Musen, alljährlich in die Staatsoper zur Alten Musik lädt, dann strömt das Publikum – was es sonst nicht immer tut, wenn nicht nur italienische Belcanto-Spezialitäten, sondern auch frühe Opernwerke begeistern sollen. Beinahe ausverkauft sind die Vorstellungen von Claudio Monteverdis Orpheus-Bearbeitung. Das Concerto Vocale und die Akademie für Alte Musik Berlin spielen anstelle des Staatsorchesters, das derzeit unter Daniel Barenboim mit Erfolg in den USA gastiert. Von außergewöhnlicher Klarheit und Stringenz ist die musikalische Deutung, bei der Jacobs in den knapp zwei Stunden von vornherein auf einen nuancierten Ton, auf eine kammermusikalische Ausformung achtet. Eine Musik, die in all ihrer Reichhaltigkeit vorgestellt wird, die zumal den Sängern außerordentliche Schwierigkeiten abverlangt, darf dem in Sachen Oper nicht immer beglückten Berliner Publikum gleichermaßen sinnstiftend zu Ohren gebracht werden. Stéphane Degout singt die detailreiche, emotional stringente Partie des Orfeo in meisterlichen vokalen Ausdeutungen, Nuria Rial gibt eine stimmlich außerordentlich zarte Interpretation der Euridike, Topi Lehtipuu sorgt als rettender Gott Apollo für den dramatischen stimmlichen Aufschwung. Monteverdis Originalfassung des Stoffes ist nicht mehr erhalten, allein das Libretto des Mantueser Hofkanzlers Alessandro Striggio ist noch einsehbar. Striggio hatte die Originalfassung mit dem bekannten Zerfleischungs-Tod des Orpheus enden lassen, in der späteren Fassung, die in Berlin gespielt wird, darf’s ein glückliches Ende nehmen. Der Himmel steht den Helden offen, auch wenn er das Gebot der Unterwelt, Euridike bei der Rettung nicht anzusehen, nicht befolgt hat. Den schwierigsten Kampf, den gegen sich selbst, hat er nicht bestanden. Aber die Götter behalten sich eben die Gnade vor, und die paßt bestimmt auch zu Monteverdis Musik. Lange Triumphchöre und lyrisch meisterhaft ausgestaltete musikalische Momente wechseln einander ab. Nicht ähnlich differenziert urteilt die Inszenierung über den antiken Artikel Mythos. Barrie Kosky läßt zwar bei den Szenen im Hades, in dem Euridice gefangen ist, einige nuancierte Aktionen zu. Ansonsten bleibt vieles im kleinbürgerlichen Laubenpieper-Milieu gefangen, die Männer sind in Straßenanzügen und mit Onkel-Erich-Hüten, die Damen fröhlich dreinblickend zu besichtigen. Klaus Grünbergs Bühnenbild vermittelt mit Stangen und einer Mixtur als Alltagsgegenständen und artifiziellen Gestirn allenfalls eine Grundstimmung, die der Inszenierung entspricht. Sinnfällige Momente aber vermittelt die Ausstattung ebenso wenig wie die Regie. Aber es ist eh ein Abend der Musik. Und an dem kommt die Staatsoper groß raus.

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