In Deutschland kaum vorstellbar: Eine Band aus vier ehemaligen Skinheads schafft es, mit ihrem nationalistischen „Wikingerrock“, auf Platz zwei der schwedischen Verkaufscharts direkt hinter Nirvana zu landen. Sie touren durch Europa, haben Tausende Fans und verdienen viel Geld mit ihren Veröffentlichungen, bis eines Tages eine Bombe im bandeigenem Tonstudio detoniert und der resultierende Großbrand alles Inventar und drei anliegende Firmen vernichtete … Ein neu erschienenes Buch erzählt spannend die Geschichte dieser Ausnahmeband von ihren Anfängen, ihren Erfolgen bis hin zu dem Bombenanschlag auf das Studio „Valhall“. Ebenso werden die Arbeitsmethoden der schwedischen Presse kritisch beleuchtet und viel über den Umgang mit politisch Andersdenkenden in Schweden erzählt. Angefangen hat alles in den frühen 1980er Jahren, als die vier Jungs der Punkband Ugly Spot keine Lust mehr hatten, ständig über Atomkraft und Arbeitslosigkeit zu singen. Sie wollten nicht länger nur kritisieren, sondern ihrem Stolz auf Schweden Ausdruck verschaffen. Dabei ließen sie sich von der aus Großbritannien herüberschwappenden Skinhead-Bewegung beeinflussen, ohne jedoch dumpfen Rassismus oder die Verherrlichung des Dritten Reiches zu übernehmen. Ihr Thema war und ist Schweden mit seiner Geschichte der Wikinger und der germanischen Mythologie. Zu dieser Zeit entschied man, daß der Name „Ugly Spot“ überholt sei, und taufte sich aussagekräftig in „Ultima Thule“ um. Es entstand Material für eine erste Platte, bei deren Veröffentlichung die gerade 18jährigen sich von der extremistischen Organisation Bavara Sverige svenskt (BSS) finanziell unterstützen ließen. Ultima Thule fragte in diesem Fall nicht nach der ideologischen oder politischen Ausrichtung ihrer Unterstützer, sie wollten Rockstars werden. Dennoch wurde der Band zehn Jahre später diese Unterstützung als Hauptbeweis für ihren vermeintlichen Rassismus angekreidet. Musikalisch war man mittlerweile bei einem melodischen Gitarrenrock angekommen, wobei Heavy-Metal-Einflüsse nicht zu überhören sind. Dennoch ist die Musik poppig genug, um schon beim ersten Mal direkt ins Ohr zu gehen. Auch textlich konzentrierte man sich stärker auf die patriotischen Momente und nahm immer mehr Abstand zum Skinhead-Kult. Dieser gesunde schwedische Nationalismus wurde von einer wachsenden Hörerschaft belohnt und Ultima Thule zu einer festen Rockgröße Schwedens. Diese Popularität brachte Anfang der Neunziger den langersehnten Durchbruch in Form eines Vertrages mit der Plattenfirma EMI, die dafür sorgte, daß Ultima Thule bald in jedem Plattenladen stand. Ihre Musik sprach in Schweden ein so breites Publikum an, daß man sich ganz unverhofft mit allen Veröffentlichungen an der Spitze der Verkaufscharts wiederfand. Anscheinend deshalb begann Schwedens linksliberale Presse eine im Ausmaß außerhalb Deutschlands schwer vorstellbare Diffamierungskampagne. Obwohl die Band jedes Konzert mit den Worten „Wir sind keine Rassisten. Wir sind keine Nazis. Wir sind Schweden!“ anfing, wurde die Berichterstattung immer tendenziöser. Man fing an, die Mitglieder zu beobachten, sie mit versteckter Kamera zu filmen und vor allem in ihrer Geschichte zu stöbern. Dabei wurde auch vor den Familien der Band nicht halt gemacht. Zwei von ihnen haben Schulkinder, die während des Unterrichts immer öfter über ihre „Nazi-Väter“ ausgefragt werden. Die Band fängt an, die eigene Skinhead-Vergangenheit zu verklären, und verwickelt sich immer mehr in Widersprüche. Die folgende negative Presse bedeutete jedoch nur noch weitere Werbung für Ultima Thule, was von einer goldenen Schallplatte gekrönt wird. Ruhe kehrt erst ein, als die Plattenfirma kündigt. Ein Aus für die Band bedeutete dies allerdings nicht. Von dem verdienten Geld hatten sie schon lange ihr altes Stammstudio aufgekauft, das unter dem Namen „Valhall“ bereits das Zentrum ihres musikalischen Schaffens geworden war. Um so stärker traf es sie, als im Sommer 2000 Unbekannte durch ein Fenster einbrachen und eine Bombe inmitten der Aufnahmeräume zündeten. Insgesamt verbrannten mindestens fünfzehn Gitarren und Bässe, die Haustiere (zwei Schlangen), die gesamte Anlage, unveröffentlichte Musik von Thule und anderen Bands und vor allem Erinnerungen, Bilder, die Kundenkartei, also unersetzliche Dinge. Für die drei banachbarten Firmen bedeutete der Brand das Aus. Widerwillig zeigte das Fernsehen Aufnahmen des Dramas – der Kommentator verstieg sich sogar zu der Aussage, daß man „gezwungen sei“, diese Bilder zu veröffentlichen. Das Buch „Ultima Thule – Vier Jungs erschüttern Schweden“ enthält auf knapp 140 Seiten außer der Bandgeschichte vor allem Zeitungsausschnitte, die die Stimmungsmache gegen die Musiker eindrucksvoll belegen. Außerdem verrät es viel über Tourgeschichten, Hotelverwüstungen und Sauforgien – was einen echten Hardrocker eben so ausmacht. Sogar die Fans kommen über Ausschnitte der Fanpost zu Wort, die ebenfalls enthalten sind. Ultima Thule sind seit dem Anschlag längst zurück mit neuer Musik: einfach mal reinhören! Ultima Thule, Vier Jungs erschüttern Schweden. Dim Records, Ebersdorf 2003, kart., 138 Seiten, 15 Euro