BERLIN. Für den Fall, daß die AfD nach den Wahlen im nächsten Jahr die Regierung in einem oder mehreren Bundesländern übernimmt, bereiten sich die anderen Parteien auf zum Teil heftige Gegenmaßnahmen vor. Meinungsforscher schließen nicht aus, daß die Oppositionspartei am 20. September in Mecklenburg-Vorpommern und/oder am 6. September in Sachsen-Anhalt die absolute Mehrheit der Mandate gewinnt.
Sie steht dort laut Umfragen aktuell bei 38 bzw. 40 Prozent. Vor allem Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund gilt als möglicher erster AfD-Ministerpräsident. Zuletzt ermittelte Insa für ganz Ostdeutschland einen Durchschnittswert von 40 Prozent (die JF berichtete).
Der innenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Sebastian Fiedler, spricht für diesen Fall von „einer Art Feindesland“, auf das „unser föderales System“ nicht ausgelegt sei. „Als Beamter bin auch ich aufs Grundgesetz verpflichtet. Und dann soll ich Extremisten die sensibelsten Daten überlassen? Da drücke ich doch lieber auf die Löschtaste“, sagte er dem Focus.
Heißt: Vor einer Regierungsübernahme durch die AfD sollten alle Unterlagen vernichtet werden. Drastischer drückt es der ehemalige BND-Mann Gerhard Conrad aus: „Wenn die Partei, die bisher beobachtet wird, auf einmal die Macht über den Apparat bekommt, ist das eine Art Verfassungskrise.“ Mit der AfD übernehme der „nachrichtendienstliche Gegner“ die ihn betreffenden Daten, Operationen und Operateure. Conrad: „Da kann man eigentlich nur noch vorher die Unterlagen verbrennen und evakuieren.“
Verfassungsschutz-Chef Kramer: Amtseid zwingt uns…
Auch der SPD-Innenexperte Fiedler warnt davor, daß AfD-Innenminister dann Einblick und Zugriff sowohl auf das Informations- und Fahndungssystem Inpol, als auch auf das Verbundsystem der Verfassungsschützer aus Bund und Ländern bekämen. Das würde die Arbeit aller anderen Behörden „kontaminieren“, die „in und mit diesen Systemen arbeiten“.
Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer zeigt sich ebenfalls höchst alarmiert. Er meint zwar: „Man kann einer eigenen Landesregierung ja nicht die amtseigenen Daten vorenthalten.“ Doch bei der AfD könnte der Fall anders liegen, sagte er dem Focus: „Dürfen wir einem Extremisten die vertraulichen Daten und Akten des Dienstes anvertrauen? Oder zwingen uns nicht unser Amtseid und die Regeln des Geheimschutzes, sie ihm zu verwehren?“
Mit Nervosität betrachten Politiker und Experten, daß eine AfD-Regierung die Ausforschung der Partei und die Einschleusung von Agenten beenden würde. Der Professor für Sicherheitsrecht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Markus Löffelmann, warnte im Focus: „Ein AfD-Innenminister kann auch einfach untersagen, daß die AfD weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“ Außerdem und da ist er sich mit den anderen einig – drohe die Gefahr, daß eine AfD-Regierung die Polizeiarbeit grundlegend verändern werde.
Bundeszwang gegen AfD-Landesregierung
Diskutiert wird auch, daß erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Grundgesetz-Artikel 37 Anwendung findet: Darin heißt es, erfülle ein Bundesland nicht die ihm „obliegenden Bundespflichten“ könne die Bundesregierung „mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten“. Die Landesregierung wäre dann entmachtet, und das Bundesland würde durch einen Statthalter der Bundesregierung, einen sogenannten Staatskommissar, regiert.
Die AfD sieht in den Plänen zum Teil Straftaten. Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Ringo Mühlmann, sagte: „Das vorsätzliche Löschen oder Zurückhalten amtlicher Daten wäre kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat – etwa nach § 303a StGB (Datenveränderung) oder § 133 StGB (Verwahrungsbruch).“ Wer, wie der SPD-Innenexperte Fiedler, „öffentlich dazu aufruft, Straftaten zu begehen, hat den Boden des Rechtsstaats längst verlassen“. Ebenso „erschütternd“ sei es, wenn der thüringische Verfassungsschutzchef und SPD-Mann Kramer ähnliche Überlegungen anstelle. (fh)
				
															






