WARSCHAU. Polens Präsident Karol Nawrocki hat den Migrationspakt der Europäischen Union entschieden zurückgewiesen und eine scharfe Konfrontation mit Brüssel angekündigt. In einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte er, „unser Heimatland vom EU-Projekt zur Umsiedlung illegaler Migranten auszuschließen“.
Auf der Plattform X schrieb er zudem: „Polen zuerst, die Polen zuerst“ – Nawrocki, der nach dem Wahlsieg der Rechten im Frühjahr das Präsidentenamt übernahm, bekräftigte damit eine Linie, die der Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski seit Monaten propagiert.
Auch der PiS-Chef bezeichnete den EU-Migrationspakt jüngst als „echte Gefahr“ und rief seine Anhänger zu einem landesweiten Protest am kommenden Samstag in Warschau auf. Schon im Sommer hatte Kaczynski erklärt, die illegale Migration habe „den Frieden von Millionen Menschen gestört“ und könne in Polen „No-Go-Areas“ schaffen.
Polen macht Deutschland schwere Vorwürfe
Der Protestmarsch, zu dem auch Bürgerbewegungen und Bauernverbände aufrufen, richtet sich zugleich gegen das kürzlich beschlossene Mercosur-Abkommen. Polnische Landwirte befürchten, daß billige Importe aus Südamerika ihre Existenz gefährden könnten. Beobachter werten die Mobilisierung als Auftakt zu einer politischen Offensive der PiS, die zwei Jahre nach ihrem Machtverlust an Donald Tusk wieder an Einfluß gewinnen will. Der für Ende Oktober geplante Programmkongreß in Kattowitz soll die strategische Rückkehr an die Regierung vorbereiten.
NIE dla paktu migracyjnego w Polsce! Prezydent K. Nawrocki wystosował pismo do niemieckiej szefowej Komisji Europejskiej, w którym stanowczo domaga się wyłączenia naszej Ojczyzny z unijnego projektu relokacji nielegalnych migrantów. Po pierwsze Polska, po pierwsze Polacy! ❤️🇵🇱 pic.twitter.com/I4FmpCPDPG
— #Nawrocki2025 (@Nawrocki25) October 9, 2025
Kaczynski selbst verschärft unterdessen die Tonlage gegenüber Deutschland. Er wirft den Nachbarn vor, illegale Migranten „massenweise“ über die Grenze nach Polen zu schleusen. Bei einem Auftritt in Breslau sagte er laut polnischen Medien: „Wir müssen sehr vorsichtig sein. Die Deutschen wollen wieder eine Weltmacht sein.“ Bereits Anfang September hatte er Deutschland als „Post-Nazi-Staat“ bezeichnet, der bis heute keine Verantwortung übernommen habe.
Auch Nawrocki verweist in seinem Schreiben an die EU auf die angespannte Lage an den Ostgrenzen. Seit über vier Jahren, so der Präsident, stehe Polen unter „ständigem Migrationsdruck, gesteuert vom Moskauer Regime unter Nutzung des belarussischen Staates und der Geheimdienste“. Polen trage erhebliche Kosten für den Schutz der östlichen EU-Außengrenze und die Versorgung von rund einer Million ukrainischer Kriegsflüchtlinge. „Polen wird keinerlei Maßnahmen europäischer Institutionen akzeptieren, die auf die Ansiedlung illegaler Migranten abzielen“, heißt es in dem Schreiben.
Polens Kirche will Migranten aufnehmen
Der neue EU-Migrationspakt sieht die jährliche Umverteilung von mindestens 30.000 Migranten innerhalb der Union oder alternativ finanzielle Ausgleichszahlungen vor. Warschau lehnt die Umsetzung strikt ab. Premier Donald Tusk, der seit Ende 2023 regiert, verfolgt zwar eine restriktive Migrationspolitik und ließ die Grenzsperren zu Belarus und Litauen ausbauen, doch bemüht er sich zugleich, das Verhältnis zu Brüssel zu stabilisieren.
In der katholischen Kirche wächst derweil die Sorge über die zunehmend aggressive Rhetorik. Der für Migranten zuständige Bischof Krzysztof Zadarko warnte vor „besorgniserregenden Märschen voller Haß und Konfrontation“ und erinnerte daran, daß die Aufnahme von Flüchtlingen eine moralische Pflicht sei.
Europe is shifting: President @NawrockiKn refuses to implement the migration pact in Poland.
We refuse as well. Now there are two of us. If a third joins, that’s already a rebellion.
— Orbán Viktor (@PM_ViktorOrban) October 9, 2025
Unterstützung erhält Polen unterdessen aus Budapest. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte auf X, Europa befinde sich im Wandel – auch Ungarn werde sich dem widersetzen. Sollten sich weitere Staaten anschließen, wäre dies bereits ein „Aufstand“. (rr)