KARLSRUHE. Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil zur Wahlrechtsreform, das heute verkündet werden soll, versehentlich bereits gestern auf seiner Webseite veröffentlicht. Demnach erklärt es heute die Abschaffung der Grundmandatsklausel durch die Bundesregierung für verfassungswidrig.
Mehrere Nutzer zeigten auf X Screenshots der Entscheidung. Danach löschte das Gericht das Dokument wieder. Das Urteil bedeutet: Auch bei der nächsten Bundestagswahl reichen drei gewonnene Direktmandate, um ins Parlament einzuziehen – unabhängig davon, ob die Fünfprozenthürde übersprungen wird oder nicht.
Was für eine Fauxpas: Das morgige Urteil zum Wahlrecht des BVerG ist auf deren Seite kurzzeitig abrufbar, jetzt gelöscht.
News: Ampel-Wahlrechtsreform bleibt laut des Dokuments im Kern, inklusive Deckelung. Anders als gewollt, bleibt die Grundmandatsklausel aber bestehen. pic.twitter.com/hffi3eTCp6
— Julius Betschka (@JuliusBetschka) July 29, 2024
Wahlrechtsreform betraf Linke und CSU
Die Ampel hatte dies abgeschafft. Hauptbetroffene wären die Linkspartei und die CSU gewesen. Die Linke hatte 2021 nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen erreicht, aber drei ihrer Kandidaten gewannen über die Erststimme ihren Wahlkreis – nur deshalb sitzt auch das neu gegründete BSW im Bundestag, das sich von der umbenannten SED abspaltete.
Auch für die CSU wäre die Gesetzesänderung der Ampel eine Bedrohung gewesen. Sie gewinnt regelmäßig mehr als 40 Direktmandate, könnte aber, da sie nur in Bayern antritt, bundesweit unter fünf Prozent bleiben. Zuletzt waren es 5,3 Prozent.
Karlsruhe: Ampel verstößt gegen Wahlgleichheit
Entsprechend hatten die Bayerische Staatsregierung sowie zahlreiche Mitglieder des Bundestages, darunter Abgeordnete der Linken und der Union, gegen das neue Gesetz geklagt. Nach ihrer Ansicht verletze die Reform die Wahlgleichheit sowie Chancengleichheit der Parteien. Nun bekamen sie offenbar Recht.
Die Richter entschieden – und verkünden es heute –, daß der Paragraph des neuen Bundeswahlgesetzes, der die sogenannte Grundmandatsklausel abschafft, gegen die Grundgesetz-Artikel 21 („Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“) und Artikel 38 („Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.“) verstößt. (fh)