Das Europaparlament hat am 12. März die im Trilogverfahren zwischen ihm, der Kommission und dem Rat der Regierungschefs ausgehandelte neue Fassung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) beschlossen. Gegenüber der Ursprungsfassung ist nun zwar der individuelle Sanierungszwang für ältere Wohnhäuser mit schlechter Energieeffizienz entfallen. Die Energiesparziele sind aber immer noch sehr ambitioniert. Auf Mitgliedsstaaten, Hauseigentümer und Mieter rollt damit eine Lawine an Kosten und Bürokratie zu.
Für den Neubau sind „Nullemissionsgebäude“ ab 2030 der Standard, für öffentliche Neubauten bereits ab 2028. Das sind Gebäude mit einer sehr hohen Gesamtenergieeffizienz und ohne lokale CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen. Der Einsatz erneuerbarer Energien wirkt sich dabei wegen der Berechnungsmethodik günstig auf den ermittelten Primärenergieverbrauch aus. Die Anforderung, daß 100 Prozent des Wärmebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden müssen, geht weit über die Anforderungen des deutschen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) hinaus, wonach die Heizung im Neubau nur zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien verlangt.
Ohne kommunale Wärmepläne ist keine Änderung in Sicht
Für bestehende Wohngebäude verlangt die EPBD im Vergleich zu 2020 eine globale Senkung des Primärenergieverbrauchs um mindestens 16 Prozent bis 2030 und um 20 bis 22 Prozent bis 2035 – mit dem Endziel des „Nullemissionsgebäudebestands“ bis 2050. Dabei wird erneuerbare Primärenergie durch niedrigere Primärenergiefaktoren bevorzugt, so daß bei der Sanierung gewisse Abstriche an der Energieeffizienz der Gebäudehülle möglich sind. Diese Ziele sind angesichts der heftig gestiegenen Baupreise und Zinsen sehr ambitioniert, zumal seit 2015 in Deutschland überhaupt kein Rückgang des klimabereinigten Wärmeenergieverbrauchs je Quadratmeter beheizter Wohnfläche mehr zu erkennen ist. Auch beim gesamten Raumwärmebedarf in Gebäuden gab es kaum Bewegung.
Die Ziele für 2030 und 2035 sind nur durch den Austausch von Millionen von fossilen Heizungen zu erreichen. Aber kein vernünftiger Mensch wird – trotz Förderung – die funktionierende Gas- oder Ölheizung gegen eine Wärmepumpe austauschen, solange der kommunale Wärmeplan nicht vorliegt. Das wird aber in der Regel in den Großstädten nicht vor 2026 und in kleineren Städten nicht vor 2028 der Fall sein.
Deutsche müßten für die Gebäuderichtlinie blechen
Für Deutschland sind die Belastungen wegen der Prozentvorgaben für die Absenkung des Primärenergieverbrauchs besonders hoch. Nach der Tado-Studie von 2020 beträgt der Wärmeverlust eines Hauses mit 20 Grad Innentemperatur bei einer Außentemperatur von 0 Grad über einen Zeitraum von fünf Stunden in Deutschland durchschnittlich nur ein Grad. Das ist im EU-Vergleich ein Spitzenwert. In Frankreich sind es 2,5 und Belgien 2,9 Grad.
Da unsere Gebäude im Durchschnitt bereits einen guten energetischen Standard haben, fallen bei uns viel höhere Kosten für die energetische Sanierung der Gebäudehüllen an, um eine vorgegebene prozentuale Reduktion des Primärenergieverbrauchs zu erreichen. Das ist erstens ungerecht und zweitens ineffizient. Es müßten vielmehr EU-weit die Gebäude mit dem höchsten Energieverbrauch zuerst saniert werden.
Mittelfristig ist ein Viertel der Nichtwohngebäude betroffen
Eine Gas- oder Gashybridheizung sollte man jetzt auf keinen Fall mehr einbauen, denn in der EPBD ist der Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln bis 2040 als „indikatives Ziel“ vorgegeben. Das kommt einem Betriebsverbot gleich und bedeutet wohl, daß das Gas bei uns schon 2040 und nicht erst 2045 endgültig abgestellt wird. Es kann aber auch schon früher sein, und bis dahin wird das Heizungsgas mit immer höheren Wasserstoffanteilen versetzt werden. Die Solardachpflicht für neue Gebäude ist natürlich gesetzt. Bei bestehenden Gebäuden sind überraschenderweise nur Nichtwohngebäude betroffen. Auf ihren Dächern müssen ab 2027 schrittweise Solaranlagen installiert werden, sofern dies technisch, wirtschaftlich und funktionell machbar ist.
Für die Sanierung von Nichtwohngebäuden mit niedriger Energieeffizienz müssen die einzelnen Mitgliedsstaaten Schwellenwerte für die Gesamtenergieeffizienz festlegen, die von den 16 bzw. 26 Prozent der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz überschritten werden. Diese Gebäude müssen dann bis 2030 bzw. 2033 irgendwie über die Schwellenwerte gehoben werden – und zwar jedes einzelne. Also müssen mittelfristig 26 Prozent der Nichtwohngebäude energetisch saniert werden – das sind rund 5,5 Millionen Gebäude – wenn auch nicht auf einen besonders hohen Standard. Die Mitgliedsstaaten müssen das „gewährleisten“.
Vermutlich ist das nicht ohne einen harten Sanierungszwang zu machen. Ausnahmen können die EU-Staaten für bestimmte Kategorien von Gebäuden festlegen, darunter historische Gebäude oder Ferienwohnungen. Die Regierungen müssen der EU-Kommission außerdem alle fünf Jahre einen nationalen Gebäuderenovierungsplan vorlegen, damit diese einschätzen kann, ob es genügend Fortschritte im Hinblick auf das Ziel gibt, bis 2050 alle bestehenden Gebäude in Nullemissionsgebäude umzubauen.
Enorme Zusatzkosten und ein erheblicher Bürokratiezuwachs
Auf das gebäudebezogene Ausweiswesen kommt ein Komplexitätsschub zu: Die Energieeffizienzausweise werden angeglichen und für Neubauten mit der Angabe des „Lebenszyklus-Treibhauspotentials“ als Grundlage für die Erstellung von Ökobilanzen versehen. Für bestehende Gebäude müssen die Mitgliedstaaten ein System von „Gebäuderenovierungspässen“ einführen: Das sind maßgeschneiderte Fahrpläne für die umfassende, schrittweise Sanierung eines Gebäudes mit umfangreichen Pflichtangaben.
Alles in allem ist die EPBD kaum abgemildert worden. Sie wird im Neubau – mitten in einer historischen Wohnungsnot – die Kosten hochtreiben und im Gebäudebestand den Sanierungsdruck erhöhen. Weil aber so gut wie nirgendwo klar ist, welche Heizoptionen es mit den kommunalen Wärmeplänen geben wird und das Ende der fossilen Heizungen auf spätestens 2040 vorgezogen wird, ist für die nächsten Jahre mit einem Einbruch der Investitionen in neue Heizungen zu rechnen. Davon abgesehen werden bei uns besonders hohe Kosten für die Erreichung der Reduktionsziele anfallen. Nicht zuletzt kommt es mit der EPBD zu einem erheblichen Bürokratiezuwachs, der die Bürger belastet.