Zu Lebzeiten wurde er verfolgt, heute gilt er mitunter als umstritten: Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Ihm wird der Spruch zugeschrieben: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“ Sollte er ihn formuliert haben, neuere Forschungen zweifeln, wußte der Mann, wovon er sprach. Vor 225 Jahren wurde der Schöpfer des Deutschlandliedes geboren.
Hoffmann von Fallersleben war zu seiner Zeit einer der bekanntesten Vormärzlyriker. Liberal. Freiheitsliebend. Burschenschafter. Streitbar. Ein ausgezeichneter Germanist und Kinderliedautor. Geboren im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – gestorben im neuen wilhelminischen Kaiserreich. Zwei Revolutionen und drei Kriege erlebte er. Die enormen politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa begründete, begleitete und kommentierte er.
Sein Geburtsjahr ist von den Nachwehen der Französischen Revolution geprägt. Nur fünf Jahre zuvor verloren Ludwig XVI. und seine Frau Marie Antoinette auf dem Schafott ihr Leben. In Deutschland stimmt die „Republik Mühlhausen“ für einen Betritt zu Frankreich. Die Grande Nation fällt derweil in die Schweiz ein. In Irland stacheln die französischen Revolutionäre die Iren zum Aufstand gegen die Briten an. Im Mittelmeer überfallen französische Piraten Schiffe, wie auch in der Karibik, was zu einem Seekrieg mit den USA führt. Napoleon bricht mit einem Heer aus 40.000 Soldaten nach Ägypten auf. Das revolutionäre Frankreich, die napoleonischen Kriege, die preußischen Reformen, die Restauration werden Hoffmann von Fallerslebens gesamte Kindheit und Jugend politisch prägen.
Er lernt die Gebrüder Grimm kennen
Schon in der Schulzeit schreibt er Gedichte, der Gymnasiast will Archäologe werden. Klar, Johann Joachim Winckelmann, der Mann, der die Antike entstaubt, ist sein Vorbild. Doch 1818 lernt er die Brüder Grimm kennen und beginnt Literatur und Sprache zu studieren. Er geht, im wahrsten Sinne des Wortes, nach Bonn und studiert unter anderem bei Ernst Moritz Arndt. Hoffmann gibt sich schon 1821 den Beinamen von Fallersleben, der Name seines Heimatortes, um Verwechselungen mit vielen anderen bekannten Hoffmännern auszuschließen. Nur ein Zeitgenosse sei hier genannt: Heinrich Hoffmann, der Frankfurter Arzt und Autor des Struwwelpeters.
1823 beginnt Hoffmann von Fallersleben an der Universität Breslau zu arbeiten, wird 1835 ordentlicher Professor. Zwei Jahre später protestieren seine Freunde, die Brüder Wilhelm und Jacob Grimm, sowie weitere fünf Göttinger Professoren gegen die Aufhebung der liberalen Verfassung des Königreichs von Hannover. Ernst August I. entläßt die „Göttinger Sieben“ darauf hin. Hoffmann von Fallersleben veröffentlicht 1840 und 1841 in zwei Bänden die Unpolitischen Lieder. Das erste Gedicht trägt den Titel „Knüppel aus dem Sack“, in Anlehnung an das Grimmsche Märchen.
Knüppel aus dem Sack
Von all den Wünschen auf der Welt
nur einer mir anjetzt gefällt
KNÜPPEL AUS DEM SACK !
Und gäbe Gott mir Wunschesmacht,
ich dächte nur bei Tag und Nacht
KNÜPPEL AUS DEM SACK !
Dann braucht ich weder Gut noch Gold,
ich machte mir die Welt schon hold
mit: KNÜPPEL AUS DEM SACK !
Ich wär ein Sieger, wär ein Held,
der erst´ und beste Mann der Welt
mit: KNÜPPEL AUS DEM SACK !
Ich schaffte Freiheit, Recht und Ruh,
und frohes Leben noch dazu
beim: KNÜPPEL AUS DEM SACK !
Und wollt ich selbst recht lustig sein,
so ließ ich tanzen groß und klein
beim: KNÜPPEL AUS DEM SACK !
Oh, Märchen, würdest Du doch wahr,
nur einen einzigen Tag im Jahr
KNÜPPEL AUS DEM SACK !
Ich gäbe drum, ich weiß nicht was,
und schlüge drein ohn´Unterlaß
KNÜPPEL AUS DEM SACK !
Aufs Lumpenpack! Aufs Hundepack!
Aus politischen Gründen wird Hoffmann von Fallersleben kaltgestellt
Mit Lumpenpack sei in diesem Fall der König von Hannover gemeint, sagt Dr. Kurt Schuster, bis 2019 war er Präsident der Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft, in einem Interview.
Hoffmann von Fallersleben verliert wegen seiner politischen Überzeugungen seine Professur für Germanistik in Breslau, ein Berufsverbot. Acht Jahre kann er nicht arbeiten, er lebt von den Einkünften aus den Büchern. Immerhin werden 12.000 Exemplare verkauft. Insgesamt schreibt Hoffmann von Fallersleben 800 politische Kampflieder. Sie werden vertont und viele echte Gassenhauer sind darunter. Hoffmann von Fallersleben wird so zu einem der berühmtesten politischen Liedermacher, heute vergleichbar mit Wolf Biermann.
Ein Beispiel, wie man Hoffmann von Fallersleben falsch interpretieren kann, lieferte Wolfram Weimer, immerhin ehemaliger Chefredakteur der Welt. Er schrieb 2019 bei ntv: „Hoffmann von Fallersleben ist ein geifernder Nationalist.“ Man könne ihn auch kaum als Demokraten bezeichnen. Er sehne sich nach der Rückkehr des Kaisers und mache sich als dichtender Militarist einen unrühmlichen Namen.
Der Liedermacher ist aus seiner Zeit zu verstehen
Seine Gedichte und Lieder seien „zeitgebunden“, sagt hingegen Schuster. Ohne weitere Erklärungen und Einordnungen in den historischen Rahmen seien sie für uns heute unverständlich. Dieses Schicksal teilt auch unsere Nationalhymne. Hoffmann von Fallersleben dichtete das Lied der Deutschen 1841 auf Helgoland als politisches Kampflied. Das Lied sei nicht nach außen, sondern nach innen gerichtet, meint Schuster. Gegen die 35 deutschen Fürsten, die den Nationalstaat verhindern, den Hoffmann von Fallersleben will.
Eine Provokation sei auch die Singanweisung nach der Kaiserhymne, die Joseph Haydn für den Habsburger Franz II. komponiert hatte. Übrigens: Das Originalmanuskript unserer Hymne ist Teil historischer Buchbestände der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin. Die wurden zwischen 1942 und 1944 ausgelagert. 1945 haben Polen die Sammlung aus dem Kloster Grüssau und dem Schloß Fürstenstein abtransportiert. 300.000 alte Schriften sind jetzt in Krakau. Die Polen nennen das Raubgut Sammlung Berlinka – Berliner Sammlung oder Preußenschatz.