MÜNCHEN. Das ifo-Institut hat vor einem Einbruch der deutschen Volkswirtschaft gewarnt. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde zwar noch bis Jahresende um 1,6 Prozent wachsen, aber schon im nächsten Jahr um mindestens 0,3 Prozent einbrechen. Die hohe Inflation, die bis 2023 auf elf Prozent steigen werde, reduziere die Kaufkraft und Ersparnisse der privaten Haushalte.
Das Land steuere im Winter „in eine Rezession“, sagte der Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen, Timo Wollmershäuser, bei der Vorstellung der neuesten Wirtschaftszahlen. „Erst 2024 erwarten wir eine Normalisierung mit 1,8 Prozent Wachstum und 2,4 Prozent Inflation.“
Ukrainische Flüchtlinge treiben Arbeitslosenzahlen hoch
Die Kaufzurückhaltung habe bereits seit dem Frühjahr im Einzelhandel „ihre Spuren hinterlassen“, teilte das Münchner Wirtschaftsinstitut mit. Viele Industriebranchen leiden weiterhin unter Lieferkettenschwierigkeiten sowie unter hohen Energiepreisen und der Konjunkturabschwächung. Die Industrie könne allerdings ihre „hohen Auftragsbestände“ in den kommenden Quartalen abarbeiten. Im Baugewerbe zeichne sich konjunkturell „ein deutlicher Abschwung“ ab.
Angesichts der konjunkturellen Abkühlung gehe der erwartete Anstieg der Arbeitslosenzahlen „um gut 50.000 Personen im kommenden Jahr“ vor allem auf die Zuwanderung arbeitsloser, ukrainischer Staatsbürger zurück. Diese könnten „im Prognosezeitraum nur allmählich in den Arbeitsmarkt integriert werden“.
Hohe Energiepreise befeuern Inflation
„Während die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal 2022 noch stagnieren dürfte, wird sie in den beiden Quartalen des Winterhalbjahres voraussichtlich um 0,2 bzw. 0,4 Prozent schrumpfen“, erwarten die ifo-Forscher. Der Grund hierfür liege im Rückgang der privaten Konsumausgaben. „Da die Energieversorger vor allem zu Jahresbeginn 2023 ihre Strom- und Gaspreise spürbar an die hohen Beschaffungskosten anpassen werden, wird die Inflationsrate im ersten Quartal 2023 mit etwa elf Prozent voraussichtlich ihren Höhepunkt erreichen.“ Die Entlastungspakete der Bundesregierung sollten diesen Negativtrend kaum umkehren.
Auch die unvorhersehbare Entwicklung der Energiepreise „und deren Überwälzung“ durch die Energieversorger erschwere die Verläßlichkeit der Prognose. „Dadurch könnten die Kaufkraftverluste der Haushalte mehr oder weniger groß ausfallen und die Konsumkonjunktur einen anderen Verlauf nehmen. Hierbei spielt auch eine Rolle, in welcher Form der Staat in das Preisgeschehen eingreift.“
BDI-Chef verlangt von Politik „günstigere Energie“
Die Wirtschaftsforscher gehen letztlich davon aus, daß Gas im Winter „in ausreichendem Umfang“ zur Verfügung stehen werde, betonten zugleich aber auch: „Deshalb sollten die Energiepreise nicht weiter steigen und spätestens ab Frühjahr 2023 wieder sinken.“
Unterdessen hat der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, die Bundesregierung aufgefordert, für preiswerte Energie zu sorgen. „Es ist wirklich allerhöchste Not in der deutschen Wirtschaft. Wir müssen alles dafür tun, damit Energie wieder billiger wird“, sagte er am Sonntagabend im ZDF.
Die Politik habe dazu zwei Hebel. Einerseits müsse das Stromangebot mit allen verfügbaren Mitteln erhöht werden, darunter Kernenergie und Kohlekraftwerke. Andererseits könne der Staat Abgaben und Steuern auf Stromprodukte reduzieren, um die Grundenergie günstiger zu machen, schlug der BDI-Chef vor. (ab)