1,84 Millionen: Das ist die Anzahl der deutschen Zuschauer, die in diesem Jahr den amerikanischen Super Bowl zwischen den Cincinnati Bengals und den Los Angeles Rams verfolgten. Der Klassiker des US-Sports wird auch hierzulande immer beliebter, nicht zuletzt durch die National Football League (NFL) als treibender Marketing-Kraft hinter dem Sport. Damit es in der mächtigsten und größten Sportliga der Welt demnächst vermeintlich gerechter zugeht, hat die NFL nun neue Diversity-Regelungen verkündet.
Künftig muß jede der verschiedenen Franchises der Liga mindestens einen Assistenztrainerposten im Offensivbereich aufweisen, der von einer Frau oder von Personen anderer Minderheiten besetzt wird. „Diversität ist der Kern von allem, was wir tun, und es gibt nur wenig Probleme, womit unsere Teams und unsere interne Führungsetage mehr Zeit verbringen“, heißt es in einem offiziellen Statement aus dem Februar. Zusätzlich hat die Liga ein sechsköpfiges Diversity-Komitee gegründet, das den Teams beratend zur Seite stehen soll.
Damit regiert die NFL auf eine Klage des ehemaligen Miami Dolphins-Coaches Brian Flores. Der ist schwarz und wirft den Denver Broncos, Miami Dolphins und New York Giants rassistische Praktiken im Auswahlverfahren für Trainer vor. Zwar ist es aufgrund einer alten Regelung für die Teams schon verpflichtend, auch Angehörige von Minderheiten zu den Vorstellungsgesprächen einzuladen, allerdings sei dies laut Flores häufig nur für Scheingespräche geschehen. Die Liga wird laut seiner Darstellung wie eine Plantage geführt: „Die 32 Teambesitzer – keiner von ihnen schwarz – profitieren erheblich von der Arbeit der NFL-Spieler, von denen 70 Prozent Schwarze sind.“
Rassismus-Klagen gefallen der NFL nicht
Unter den Cheftrainern der Liga gibt es aktuell drei schwarze Coaches. Lovie Smith trainiert die Housten Texans, der junge Mike Tomlin die Pittsburgh Steelers und Todd Bowles ist seit 2022 bei den Tampa Bay Buccaneers auf dem Posten. In Pittsburgh hat auch Flores trotz laufender Klage als Assistenztrainer wieder einen neuen Job gefunden. Außerdem gibt es drei weitere Team-Coaches, die einer Minderheit angehören. Wird dennoch ein Weißer ausgewählt, machen schnell Rassismusgerüchte die Runde.
Als die Denver Broncos dem weißen Nathaniel Hackett den Vortritt vor dem schwarzen Eric Bienemy gaben und diesen zum neuen Trainer beförderten, reagierten einige Fans mit Unverständnis. Bienemy hatte sich jahrelang als Offensiv-Koordinator einen Namen gemacht.
Für die NFL ist die Klage ein weiterer Angriff auf die sonst so weiße Weste. Sie paßt nicht zum hochkommerzialisierten, internationalen Saubermann-Image, das bereits 2016 ins Wanken geriet. Damals kniete der ehemalige San Francisco 49ers-Quarterback Colin Kaepernick erstmals während der amerikanischen Hymne vor einem Spiel. Er wollte damit ein Zeichen gegen Polizeigewalt und Diskriminierung, insbesondere von Schwarzen, setzen. Der Großteil der Liga folgte seinem Beispiel und tat es ihm gleich. In die daraus resultierende Debatte mischte sich sogar der damalige US-Präsident Donald Trump ein, der die Geste verurteilte.
Fehlt das Minderheitenpersonal für Trainerposten?
Seither versucht die NFL alles, um gratismutig auf den antirassistischen Zug aufzuspringen. Das Motto der Saison 2020 lautete deshalb „It Takes All Of Us“ und sollte den Gleichheitsgedanken in der Gesellschaft und auch in der Liga selbst widerspiegeln. Außerdem feierte sie dieses Jahr den „Black History Month“, der die dunkelhäutigen Spieler stärker in den Fokus rücken sollte. Nimmt man aber deren Verträge genauer unter die Lupe, kann von einem Nachteil nicht mehr die Rede sein. In der vergangenen Spielzeit 2021/2022 stand der schwarze Quarterback Dak Prescott von den Dallas Cowboys auf Platz Eins der Spitzenverdiener. Sein vertraglich festgeschriebenes Gehalt: 75 Millionen Dollar.
Fraglich ist die neue Regelung zur Trainerbesetzung vor allem aus sportlicher Sicht. Als Indikator für Ungerechtigkeit in der NFL könnten beispielsweise die unteren College-Ligen dienen. Gäbe es dort deutlich mehr Frauen und Angehörige von Minderheiten in Coaching-Positionen, könnte das bedeuten, daß ihnen, anders als den männlichen, weißen Kollegen, der Aufstieg in die höchste Liga verwehrt bleibt. Da sich die dortige Situation aber mit der in der NFL vergleichen läßt, liegt die Vermutung nahe, daß es schlicht nicht genügend geeignetes Personal gibt, das diesen Minderheiten angehört.
Denn: Eine Förderung durch eine Quotenregelung würde nur dann Sinn ergeben, wenn es dafür auch Kandidaten gibt. Schon jetzt wird allerdings über weiterführende Regelungen diskutiert. Wie bereits erwähnt, sind auch die 32 Teambesitzer weiß. Die Debatte darüber, in Zukunft auch daran zu rütteln, ist längst entbrannt.
FC St. Pauli setzt auf Quotenregelung
In der prominentesten deutschen Sportliga, der Fußballbundesliga, ist man von Frauen- und Minderheitenquoten noch weit entfernt. Auf eine Umfrage des Sterns zum Thema Frauenquoten in Vereinen, antworteten alle Vereine der ersten und zweiten Liga mit einer ablehnenden Haltung. Demnach sei der Großteil der Clubs eher an einer Besetzung nach Kompetenz, nicht nach Quote, interessiert.
Einzig Zweitligist FC St. Pauli besitzt schon heute eine solche Regelung. Diese wurde auf der der Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr beschlossen und umfaßt alle wichtigen Vereinsgremien: Aufsichtsrat, Präsidium, Ehrenrat und Wahlausschuß. Mindestens 30 Prozent der vergebenen Posten müssen fortan weiblich besetzt werden.
Fußballfans in England schießen quer
In der Deutschen Fußball Liga (DFL) scheint es keine Notwendigkeit einer Quote zu geben, damit es auch Frauen in die obersten Ämter schaffen. Seit dem ersten Januar dieses Jahres bekleidet Donata Hopfen das Amt der neuen Vorsitzenden der DFL-Geschäftsführung. Auch der Drittliga-Club Eintracht Braunschweig wird seit März von einer Frau geführt. Die neue Präsidentin heißt Nicole Kumpis.
Das schließt eine künftige Debatte über Quotenregelungen im Profifußball allerdings noch lange nicht aus. Nicht zuletzt Colin Kaepernicks Protest gegen den angeblichen Rassismus in der NFL schaffte den Weg ins weit entfernte Europa. Doch in der englischen Premier League stieß das nicht unbedingt auf Zustimmung. Dort zeigten sich die Fans des Millwall FC wenig begeistert von politischen Stellungnahmen auf dem Sportplatz und pfiffen die Spieler aus.