Um es mit dem alten Adenauer zu sagen: „Die Situation ist da.“ Seit gestern steht fest, daß der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall einordnen und auch in seinen Berichten öffentlich benennen darf.
Von einem „guten Tag für den demokratischen Rechtsstaat“ sprechen nach dem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts die, denen die Partei schon lange ein Dorn im Auge ist. Ob diese Einschätzung zutrifft? Zweifel sind angebracht.
Sicher, die wehrhafte Demokratie braucht rechtsstaatliche Mittel, ihre Feinde schon früh erkennen und abwehren zu können. Dazu gehört, Informationen zu sammeln und auszuwerten. Das geschieht letztlich auch zum Schutz betroffener Parteien vor einer möglichen Unterwanderung.
Verzerrung des politischen Wettbewerbs droht
Doch die Beobachtnung einer Partei ist das eine, die öffentlich bekannt gemachte, amtliche Einstufung das andere. Der Makel, im Bericht als extremistisch angeprangert zu werden, bleibt. Auch dann, wenn der Verdacht, den die Verfassungsschützer gegenüber ihrem Beobachtungsobjekt hegen, sich nicht bestätigt. Und in dem Fall haben die Verfassungsschützer nicht die Verfassung vor Extremisten geschützt, sondern der Demokratie einen schweren Schaden zu gefügt.
Denn die Erwähnung verzerrt ohne Zweifel den politischen Wettbewerb. Es schränkt die Grundrechte der Parteimitglieder auf informationelle Selbstbestimmung und auf die Freiheit der politischen Betätigung ein.
Polemik, Unappetitliches, grenzwertige Meinungsäußerungen – das alles gibt es, nicht nur, aber auch in der AfD. Doch wo sind die programmatischen Forderungen, die auf – beispielsweise – das Ende der Unabhängigkeit der Gerichte, die auf eine Abschaffung der Gewaltenteilung, von freien und geheimen Wahlen, der Parlamente abzielen? Und wo sind die führenden Funktionäre, die das propagieren?
Die AfD wird nicht verschwinden
Für die AfD brechen schwere Zeiten an. Die juristische Gegenwehr wird ein langer, steiniger Weg werden. Der parteiinterne Deutungs- und Richtungskampf geht weiter – wahrscheinlich sogar noch angefacht vom Kölner Richterspruch.
Einfach verschwinden wird die AfD damit nicht. Daß es nun einen Massenexodus von Mitgliedern aus der Partei geben wird, ist ebenso wenig zu erwarten wie ein sofort einsetzender Totaleinbruch der Zustimmungswerte.
Aber: Wer Beamter ist oder – noch brisanter – wer Beamter werden möchte, wer als Jäger eine Waffe besitzt und behalten möchte, wird sich überlegen, was ihm seine Parteimitgliedschaft wert ist. Und der AfD dürfte es noch schwerer fallen, kompetente Leute aus Wirtschaft, Verwaltung oder Ministerien als Referenten in ihren Fraktionen einzustellen. Dem könnte ein „Brain-drain“ folgen, samt der weiteren Benachteiligung gegenüber der politischen Konkurrenz.
AfD muß anschlußfähig sein
Also dann: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich´s gänzlich ungeniert“? Das wäre sicherlich die falscheste aller Konsequenzen aus dem Richterspruch. Solch eine Vorgehensweise würde nur jene (linken) Politologen bestärken, die meinen: Es ist vollkommen egal, was die AfD von sich gibt, sie ist eh nur das politische Ventil für jene, die mit allem unzufrieden und irgendwie gegen alles sind, was „die da oben“ machen. Sicher, auch so bekommt man Mandate und kann Gelder verteilen. Mitentscheiden, ändern, verbessern – „Deutschland, aber normal“ – läßt sich so nichts. Das geht nur, wenn man grundsätzlich anschluß-, will sagen: koalitionsfähig sein will. Ein fernes, nun noch ferneres Ziel. Aber auf lange Sicht alternativlos.
War das gestern also wirklich in „guter Tag für den demokratischen Rechtsstaat“?
Eher das Gegenteil.