BERLIN. Der scheidende Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich während seiner Eröffnungsrede im Parlament gegen Identitätspolitik ausgesprochen. „Jeder einzelne Abgeordnete bildet nicht einfach einen Teil des Volkes ab. Jeder Abgeordnete ist Repräsentant des gesamten Volkes, wir haben immer auch das Gemeinwohl im Blick zu halten“, mahnte er während der konstituierenden Sitzung des 20. Bundestages am Dienstag. Man solle nicht „Repräsentation und Repräsentatitivät“ verwechseln.
Zwar werde der Bundestag „nie ein exaktes Spiegelbild der Bevölkerung sein“, räumte der Christdemokrat ein. Jedoch könne die repräsentative Demokratie in ihrer jetzigen Form Vielfalt fördern und stärken. Denn sie beruhe auf der „politischen Gleichheit aller Bürger, ohne Rücksicht auf ihre soziokulturellen Merkmale“.
Schäuble betonte weiter, gesellschaftliche Gruppen würden nicht nur durch ihre eigenen Mitglieder vertreten. Abgeordnete „vertreten nicht durch ihre Person, sondern durch ihre Politik. Durch sie sollten alle Menschen politisch Gehör finden.“
Bas folgt auf Schäuble
Zugleich warb Schäuble für eine Stärkung der europäischen Zusammenarbeit. „Die komplexen Herausforderungen lassen sich nicht mehr im Nationalstaat bewältigen. Deshalb werden wir in einer Welt des rasanten Wandels den Bürgern auch nur dann halt geben können, wenn wir Europa stärken und zusammenhalten.“ Dazu brauche es die Bereitschaft, die anderen besser verstehen zu wollen.
Der 79jährige leitete die Sitzung vor der Wahl der neuen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Bis 2017 war es üblich, daß der älteste Bundestagsabgeordnete die konstituierende Sitzung als Alterspräsident eröffnete. Durch eine Änderung der Geschäftsordnung wurde damals verhindert, daß diese Rolle einem Mitglied der neu ins Parlament eingezogenen AfD-Fraktion zufiel. (ag)