BERLIN. Nach dem Zapfenstreich zum Abschluß des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr ist eine Diskussion um das militärische Zeremoniell entbrannt. Auf Twitter meldeten sich zahlreiche vorrangig linke Nutzer zu Wort, die sich an den Bildern der Soldaten mit Fackeln vor dem Reichstag störten.
Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele beklagte, es handle sich um ein militaristisches Ritual. Es gebe nach dem Afghanistan-Einsatz keinen Grund, zu feiern.
Großer Zapfenstreich mit Fackelzug heute vor Reichstag. Buwe feiert Ende ihres Einsatzes in Afghanistan. Was soll das militaristische Ritual aus Preußen und NS- Zeit. In dem Krieg starben über 175 000 Mensch-meist Zivilisten.Nichts ist gut in Afghanistan. Was gibts da zu feiern.
— Christian Ströbele (@MdB_Stroebele) October 13, 2021
Der ZDF-Komiker Jan Böhmermann schrieb auf Twitter: „Ich finde Fackelmärsche von Uniformierten vorm Reichstag richtig, richtig scheiße.“ Die Soldaten sorgten für Bilder, die „die die ganze Welt retraumatisieren“. Es könne doch nicht so schwer sein, sich ein anderes Zeremoniell auszudenken.
Ich finde Fackelmärsche von Uniformierten vorm Reichstag richtig, richtig scheiße. Egal, aus welchem Anlass.
Aber sowas darf man heutzutage ja nicht mehr öffentlich sagen.
— Prof. Dr. Jan Böhmermann 🦠🤨 (@janboehm) October 13, 2021
Denkt doch mal nach! Es gehört nun einmal zu den ureigensten Pflichten einer demokratischen Parlamentsarmee, gedankenlos Bilder zu fabrizieren, die die ganze Welt retraumatisieren.
— Prof. Dr. Jan Böhmermann 🦠🤨 (@janboehm) October 13, 2021
Wehrmacht und SS
Die Autorin und ehemalige Rapperin, Reyhan Şahin (Künstlernamen Lady Bitch Ray), kritisierte, angesichts rechtsextremer Vorfälle bei der Bundeswehr dürfe man sich nicht wundern, wenn solche Bilder an die Wehrmacht und die SS erinnerten.
Die Ehrung von Soldat:innen, die in #Afghanistan gedient haben, schön & gut, aber angesichts der vorkommenden #Rechtsextremismus -Fälle bei der #Bundeswehr + spez #Bildsprache sollte man sich eigentlich nicht wundern, warum solche Bilder an die #Wehrmacht oder SS erinnern oder? https://t.co/eemuyBapho
— Dr.in Reyhan Şahin (@LadyBitchRay1) October 14, 2021
Auf wenige Verständnis stieß solche Kritik beim Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Bundeswehruniversität in München. „Wie falsch muß man in der Birne verlötet sein, wenn Bilder vom Parlament einer stabilen Demokratie und davor Fackeln einer demokratischen Armee, die eine Armee ebendieses demokratischen Parlaments ist, NS-Assoziationen erzeugen“, fragte er auf Twitter.
Wie falsch muss man in der Birne verlötet sein, wenn Bilder vom Parlament einer stabilen Demokratie und davor Fackeln einer demokratischen Armee, die eine Armee ebendieses demokratischen Parlaments ist, NS Assoziationen erzeugen.
Macht mal alle das Fenster auf Kipp
— Carlo "Realism, Gedankenfetzen, and Rants" Masala (@CarloMasala1) October 13, 2021
Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner reagierte genervt auf die Empörung über den Zapfenstreich. Wer Aufklärung über das Zeremoniell benötige, könne sich gern bei ihm melden.
Manchmal verstehe ich #Twitter echt nicht mehr. Es war gut und richtig, den Afghanistan-Einsatz der #Bundeswehr heute mit einem Großen #Zapfenstreich vor dem Reichstag zu würdigen. Als #Bundestag stehen wir in einer bleibenden Verantwortung, für das was die letzten 20 Jahre 1/2
— Dr. Tobias Lindner (@tobiaslindner) October 13, 2021
Die Bundeswehr hatte am Mittwoch abend auf dem Platz der Republik vor dem Reichstag mit einem Großen Zapfenstreich den rund 20jährigen Einsatz der Soldaten in Afghanistan gewürdigt. Bei diesem ließen 59 deutschen Soldaten ihr Leben, zudem gab es zahlreiche Verletzte und psychisch Geschädigte. Im Vorfeld hatten mehrere evangelische Theologen ihre Kirche aufgefordert, sich nicht an dem Zeremoniell zu beteiligen. (krk)