BERLIN. Der Migrationsexperte Gerald Knaus hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, zusätzlich jährlich mehrere Zehntausende Migranten aufzunehmen. „Deutschland sollte es wie Kanada oder Schweden machen und sich dazu bereit erklären, jährlich mindestens 0,05 Prozent seiner Bevölkerung im Rahmen des Resettlements umzusiedeln, also rund 41.000 Menschen“, sagte Knaus, der die Denkfabrik „Europäische Stabilitätsinitiative“ leitet, der Welt.
Bei dem Umsiedlungsprogramm des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen werden Personen als besonders schutzbedürftige Migranten in Erstaufnahmestaaten wie Kenia, Jordanien oder Türkei identifiziert und anschließend in aufnahmebereite Länder gebracht. Deutschland hatte in den vergangenen Jahren auf diese Art und Weise jährlich 5.500 Personen direkt ins Land geholt.
„Resettlement stellt sicher, daß die wirklich Hilfsbedürftigen nach Europa kommen“, erklärte Knaus, auf dessen Initiative das EU-Türkei-Abkommen von 2016 beschlossen worden war. Es sei „fairer als ungesteuerte Flüchtlingsbewegungen“, da auch Kinder und Frauen eine Aufnahmemöglichkeit erhielten. Sie begäben sich zumeist nicht auf herkömmliche Fluchtrouten, sondern vor allem „wagemutige Männer“.
Umsiedlung sende Zeichen an Erstaufnahmeländer
Als weiteres Argument für das Programm nannte Knaus die angeblich leichtere Integration der betroffenen Personen, da ihr Schutzstatus bereits bei der Einreise feststehe. Zudem sende die direkte Umsiedlung auch ein Zeichen an die Erstaufnahmestaaten, daß sie nicht nur mit Geld unterstützt würden, sondern auch durch die Abnahme von Migranten.
Im Zusammenhang mit dem Regierungswechsel in Afghanistan hatte Knaus vor zwei Wochen gefordert, die Bundesregierung solle ein klares Aufnahmekontingent für gefährdete Afghanen nennen. Die Länder der Koalition, die in den vergangenen Jahren in Afghanistan gekämpft hätten, müßten nun vorangehen. Deutschland solle ebenso wie Kanada mindestens ein Kontingent von 20.000 Personen anstreben. In Afghanistan warteten weit über 100.000 auf Hilfe.
Die deutschen Behörden registrierten im ersten Halbjahr 2021 fast 97.000 Asylanträge, hochgerechnet auf das gesamte Jahr wären das rund 185.000 und damit wieder so viele wie 2018. Gleichzeitig schiebt Deutschland deutlich weniger ausreisepflichtige Ausländer ab, als illegale Einwanderer ins Land kommen. (ls)