BERLIN. Der außenpolitische Sprecher der Linkspartei, Gregor Gysi, hat die Bundesregierung aufgefordert, den Taliban in Afghanistan Hilfsangebote zu unterbreiten und diese an Bedingungen zu knüpfen. „Man muß zurückkehren zu Außenpolitik und Diplomatie. Man kann Hilfsangebote immer auch an Bedingungen knüpfen“, sagte Gysi am Donnerstag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Nachdem Großbritannien, die Sowjetunion und jetzt auch die Nato mit Kriegseinsätzen in dem Land gescheitert seien, „sollte endlich begriffen werden, daß es eine militärische Lösung nicht gibt“.
Die DDR habe beispielsweise in Syrien erfolgreich ein Berufsschulwesen aufgebaut. Allerdings sei dies an die Bedingung geknüpft worden, daß Mädchen genauso ausgebildet werden müssen wie Jungen. „Warum können wir nicht auch gegenüber den Taliban Hilfen anbieten, auf die sie angewiesen sind, und diese Angebote an Bedingungen knüpfen?“ Zuvor hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) angekündigt, im Falle einer Machtübernahme der Taliban „keinen Cent mehr nach Afghanistan“ zu geben. Laut Gysi sei das falsch. „Diese Einstellung träfe kaum die Taliban, sondern in erster Linie die Bevölkerung.“ Es sei besser, Entwicklungshilfe an sinnvolle Bedingungen zu knüpfen, „um es den Taliban schwerer zu machen, ihre Art der Machtausübung zu errichten.“
Die islamische Terrorgruppe setzt unterdessen ihren Eroberungsfeldzug in Afghanistan fort. Nachrichtenagenturen zufolge haben sie nun auch die zweitgrößte Stadt Kandahar eingenommen. „Die Mudschaheddin haben den Märtyrerplatz in der Stadt erreicht“, teilte demnach ein Taliban-Sprecher mit. Bereits zuvor hatte die Organisation andere große Städte erobert. Dem vorausgegangen war der Abzug mehrerer Nato-Truppenkontingente, dazu gehörten auch die deutschen Soldaten.
Dagdelen: Kein Zapfenstreich für Afghanistan-Einsatz
Die Obfrau der Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen, forderte unterdessen, den Großen Zapfenstreich zur Würdigung der Bundeswehrsoldaten im Afghanistaneinsatz Ende August abzusagen. „Die Militärveranstaltung ist angesichts der Schreckensbilder vom Vormarsch der Taliban in Afghanistan und der Massenflucht der afghanischen Bevölkerung vor den islamistischen Terrorgruppen vollkommen deplatziert und instinktlos“, argumentierte Dagdelen.
„Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan war lange überfällig und richtig, falsch und verheerend war der 20 Jahre dauernde NATO-Krieg unter US-Führung, in dem zehntausende afghanische Zivilisten sowie auch 59 Soldatinnen und Soldaten aus Deutschland sinnlos gestorben sind“, kritisierte die Linkenpolitikerin.