BERLIN. Der Streit in der Großen Koalition um die vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beschafften, mutmaßlich mangelhaften Schutzmasken gegen Coronaviren hat sich weiter zugespitzt. Am Montag legte die Bundesvorsitzende der SPD, Saskia Esken, gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe nach. „Wer minderwertige Masken an Menschen mit Behinderung, Obdachlose und Pflegeeinrichtungen verteilen will, um sein Versagen zu kaschieren, handelt respektlos.“
Und weiter: „Sollten sich die Vorwürfe gegenüber Jens Spahn und dem Bundesgesundheitsministerium bewahrheiten, ist er in seinem Amt nicht mehr haltbar.“ Spahns „Verhalten“ sei „menschenverachtend“.
Der Spiegel hatte am Freitag berichtet, das Bundesgesundheitsministerium habe im Frühjahr vergangenen Jahres für rund eine Milliarde Euro Masken gekauft, die den europäischen Standards nicht entsprochen hätten. Spahn habe daraufhin den TÜV Nord veranlaßt, die Masken in einem Schnellverfahren zu testen, um sie doch noch verteilen zu können. Das Schnellverfahren sei dann aber nochmals „abgespeckt“ worden, sodaß man sich beispielsweise auch die für die Tauglichkeit einer Schutzmaske nötige Temperaturprüfung gespart habe.
Masken sollten in Sonderaktion Hartz-IV-Empfängern und Obdachlosen gegeben werden
Das Ministerium hat laut dem Blatt versucht, die Masken in Sonderaktionen gegenüber Hartz-IV-Empfängern, Behinderten oder Obdachlosen loszuwerden. Doch dies sei augenscheinlich nicht nach Plan verlaufen. Nun sollen die Masken in die neu geschaffene Notreserve des Bundes verfrachtet werden, um, wie der Spiegel vermutete, „dort ihrem letzten Zweck entgegenzudämmern: dem Erreichen des Verfallsdatums“.
Eskens SPD-Kollege und Parteivorsitzender Norbert Walter-Borjans hatte Spahn nach Bekanntwerden der Vorwürfe ebenfalls attackiert und „Menschenverachtung“ vorgeworfen. Spahn habe Menschen „absolut untaugliche Masken“ geben wollen, um „ihr Leben eben nicht zu schützen“, sagte er der Bild am Sonntag.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte demgegenüber in der Bundespressekonferenz am Montagmittag laut Welt: „Es herrscht Einvernehmen in der Bundesregierung über die Tauglichkeit dieser CPI-Schutzmasken für Infektionsschutzzwecke“.
Spahn: SPD will gleichzeitig Regierung und Opposition sein
Spahn hatte die Vorwürfe aus SPD und Opposition zuvor ebenfalls zurückgewiesen. „Es war übrigens eine Idee des Arbeitsministeriums selbst, mit einem Sonderkontingent an Obdachlose und Eingliederungshilfe Masken zu verteilen“, sagte er gemäß dem Blatt.
Alle geprüften Masken seien sicher gewesen und hätten den Infektionsschutz gewährleistet, obschon sie keine EU-Zertifizierung gehabt hätten, verteidigte sich der Minister. Es seien im vergangenen Jahr Millionen solcher Masken gleichen Typs durch die Länder verteilt worden.
Die SPD habe offenbar den Ansatz, gleichzeitig Regierung und Opposition sein zu wollen, sagte Spahn demnach der Welt. Er habe den Eindruck, das sei wie beim Fußball: „Wenn man beim Auswärtsspiel schon nicht gewinnen kann, dann tritt man der heimischen Mannschaft auch noch den Platz zumindest kaputt.“ Dies scheine die Politik der SPD zu sein – „egal, wie an den Haaren herbeigezogen die Vorwürfe sind“. Das alles sage mehr über den Zustand der SPD aus, als über die Qualität von Masken.
Merkel: „Wenn ich sehe, was mit Jens passiert“
Mittlerweile hat sich am Montag laut der Bild-Zeitung auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) während einer Präsidiumssitzung in die Debatte eingemischt. „Wenn ich sehe, was mit Jens passiert – das entbehrt wirklich jeder Sachgrundlage.“ Merkel habe davon gesprochen, daß versucht werde, durch „negative Stimmung Schaden anzurichten“ – „fernab von dem, was man guten Umgang“ nenne. Sie forderte ihre Parteikollegen auf, „jetzt dagegenzuhalten“.
Der CDU-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende, Armin Laschet, sprach in diesem Zusammenhang von einer „Negative Campaigning-Kampagne“ der SPD. „Sie wollen uns schaden. Wir dürfen ihnen das nicht durchgehen lassen“, sagte er. In Anspielung auf das Wahlergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt vom Sonntag sagte er: „Ich würde, wenn ich acht Prozent hätte, einfach mal ein, zwei Tage schweigen!“. Die SPD sei „nicht mehr sozialdemokratisch“ und „von Anstand ist bei Frau Esken nicht mehr zu sprechen“. (hl)