Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) fordert bessere Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter der Deutsche Post DHL Group und Amazon. Bei einem Auftritt in der ARD kritisierte Scholz die Deutsche Post, weil sie Mitarbeiter entlassen hatte, die in zwei Jahren mehr als 20 Krankheitstage in Anspruch genommen hatten. Diese Praxis ist eine von mehreren umstrittenen bei der ehemals staatlichen Post, die vor kurzem durch einen Bericht der Bild-Zeitung bekannt worden waren.
Scholz kündigte an, daß er „sofort reagieren“ werde, indem er alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ergreife. Obwohl der Konzern bereits 1995 privatisiert wurde, ist der Bund weiterhin im Aufsichtsrat vertreten.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, lobte noch am gleichen Tag die Ausführungen von Scholz. Hoffman bezeichnete die Unternehmenspolitik, die Weiterbeschäftigung von der Gesundheit der Mitarbeiter abhängig zu machen, als „moralisch verwerflich“.
Private haben stärkeren Anreiz zur ressourcenschonenden Produktion
Privatisierungsmaßnahmen sorgen stets für eine Menge Diskussionsstoff. Doch ist auch in diesem Falle zu fragen: Wurde die Privatisierung der deutschen Briefzustellung in den 1990er Jahren wirklich konsequent genug durchgeführt? Und könnte eine noch weitergehende Privatisierung auch die Situation der Mitarbeiter verbessern?
Zunächst ist es wenig überraschend, daß die Übertragung vormals öffentlich bereitgestellter Dienstleistungen an Privatunternehmen aus Sicht der Konsumenten in der Regel positive Folgen hat. Schließlich haben private Dienstleister einen stärkeren Anreiz zur ressourcenschonenden Bereitstellung ihrer Leistungen. Darüber hinaus eröffnet jede Privatisierungsmaßnahme die Chance, einen von einem Monopolanbieter beherrschten Markt für den Wettbewerb zu öffnen.
Doch – und damit kommen wir auf den Fall Deutsche Post zu sprechen – muß die konkrete Privatisierung substantielle Wirkung entfalten, damit es überhaupt zu den erwünschten Effizienzsteigerungen kommen kann. Allein die Änderung der Rechtsform des Unternehmens wird neues Potenzial kaum entfalten können. Dieses Problem läßt sich seit den 1990er Jahren auch am Beispiel der Deutschen Bahn ablesen. Auch sie hat eine echte Privatisierung, die Abnagelung vom staatlichen Umverteilungssystem noch vor sich. Obwohl sie als Aktiengesellschaft firmiert, liegen 100 Prozent der Anteile noch in Händen des Bundes.
Deutsche Post birgt Potential zur Effizienzsteigerung
Daß auch die Deutsche Post noch erhebliches Potential zur Effizienzsteigerung birgt, erläutert der Ökonom und ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission Justus Haucap in einem aktuellen Papier. Er schreibt:
Auch 20 Jahre nach der formellen Liberalisierung des Postmarktes hat sich im Briefbereich kein wirksamer Wettbewerb eingestellt. Der Grund liegt zum einen in den Vorteilen, die der Deutschen Post AG einseitig durch gesetzliche Maßnahmen gewährt werden wie etwa das Mehrwertsteuerprivileg für viele Postdienstleistungen. Zum anderen fehlen der Bundesnetzagentur hinreichende Kontroll- und Eingriffsrechte. Eine Überarbeitung des Postgesetzes und des weiteren Regulierungsrahmens für die Post ist daher 20 Jahre nach der Liberalisierung dringender denn je geboten.
Nicht nur Konsumenten würden mit Sicherheit profitieren. Mehr Konkurrenz auf dem Postsektor bedeutete auch, daß die Mitarbeiter aus einer größeren Menge potentieller Arbeitgeber wählen könnten. Letztere müssen auf einem freien Markt ausreichend gute Arbeitsbedienungen bieten, um überhaupt genügend Arbeitskräfte anlocken zu können Dies gilt gerade in einem Land wie Deutschland, dessen Bevölkerung im Durchschnitt kontinuierlich älter wird.
Hier könnte Olaf Scholz tatsächlich „sofort reagieren“, wie er es ankündigte, und dabei auch noch Erfolg haben. Das Potential ist auch in vielen anderen Branchen groß: Der Bund hält aktuell Anteile an 108 lediglich formal privatisierten Unternehmen.