BARCELONA. Am katalanischen Nationalfeiertag „La Diada“ haben am Montag in Barcelona Hunderttausende Menschen für die Abspaltung der Region von Spanien demonstriert. Bei ihrem Marsch durch die Innenstadt schwenkten die Katalanen rot-gelb-gestreifte Fahnen und trugen Banner mit Aufschriften wie „Wir werden ein freies Land sein“ und „Voller Hoffnung“ mit sich.
Unter dem Motto „La Diada del Sí“ versammelten sich je nach Quelle zwischen 350.000 und einer Million Menschen. Das Sí bezieht sich auf das für den 1. Oktober geplante Referendum über die Abspaltung von Spanien, was erst letzte Woche vom Madrider Verfassungsgericht untersagt worden war.
Um Punkt 17 Uhr 14 bildeten die Demonstranten an zwei zentralen Straßen der Stadt ein gigantisches Wahlkreuz. Im Jahr 1714 unterlag Katalonien im spanischen Erbfolgekrieg einem französisch-spanischen Heer und verlor infolgedessen die Reste staatlicher Eigenständigkeit.
Verfassungsgericht stoppt Referendum
Die spanische Regierung will die Abspaltung der wirtschaftsstärksten Region Spaniens unter allen Umständen verhindern. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy (Spanische Volkspartei) erklärte mehrfach, daß die Abstimmung auf keinen Fall stattfinden werde. Das spanische Verfassungsgericht hat das Referendum vorerst ausgesetzt. Es drohte der Regionalregierung mit rechtlichen Schritten, sollte sie an ihren Plänen festhalten. Unter Berufung auf die spanische Verfassung schloß sie eine Abstimmung in dieser Frage kategorisch aus.
Gegen den katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont (Katalanische Europäische Demokratische Partei) wurde Anklage wegen Veruntreuung öffentlichen Geldes, Ungehorsam und Amtsmißbrauch in Zusammenhang mit der Organisation des Referendums erhoben. Bürgermeister mehrerer größerer Städte in Katalonien erklärten daraufhin, keine Wahllokale oder Personal für das Referendum zur Verfügung stellen zu wollen.
Ministerpräsident Puigdemont gab sich unbeeindruckt. Dem vorhersehbaren „Tsunami aus Klagen und juristischen Querelen“ werde man mit einem „Tsunami der Demokratie“ begegnen, sagte er. Er selbst sei bereit, ins Gefängnis zu gehen.
Wirtschaftliche Folgen gravierend
Die wirtschaftlichen Folgen einer Abspaltung wären für beide Seiten gravierend. In Katalonien leben 7,5 Millionen Einwohner, die 19 Prozent des spanischen Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Diverse internationale Konzerne sind in der Gegend ansässig, etwa die VW-Tochter Seat.
Sollte der Konflikt zwischen Zentralregierung in Madrid und Katalonien weiter eskalieren, könnten auch die spanischen Staatsanleihen unter Druck geraten, warnte die Ratingagentur Moodys.
Die Regionalregierung in Barcelona hatte in der vergangenen Woche zwei Gesetze erlassen. Sie sollen das für den 1. Oktober geplante Referendum und die Schaffung aller für einen neuen Staat nötigen Institutionen regeln. (ha)