BERLIN. Die schweren Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg waren laut dem Sozialpsychologen Andreas Zick nicht linksextrem motiviert. Beim Linksextremismus spiele immer die Ideologie eine Rolle wie beispielsweise Anarchie oder Antikapitalismus. Die Krawalle in Hamburg seien „vielleicht mit einer antikapitalistischen Ideologie vorbereitet“, sagte Zick den Tagesthemen. „Aber dann ist die Situation so eskaliert unter den Gewalttäterinnen und Gewalttätern, daß die Ideologie abgelöst wurde durch reine Gewalt. Das heißt, die Gewalt ist das bindende Element.“
Die Ideologie spiele dann kaum noch eine Rolle. Es gehe nur noch um Gewalt, diese sei die Motivation und das Gemeinschaftserlebnis der Randalierer. „Die Gewalt stellt die Identität der Gruppe“, betonte der Leiter des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. Solche Erfahrungen habe es auch schon bei Fußballausschreitungen gegeben.
Polizei „massiv und aggressiv“ vorgegangen
Kritik äußerte Zick, der auch Stiftungsratsvorsitzender der Amadeu-Antonio-Stiftung ist, am Vorgehen der Polizei in Hamburg. Diese hätten mit ihrer harten Linie zur Eskalation beigetragen. Friedliche Teilnehmer der linksextremen „Welcome to hell“-Demonstration hätten am Donnerstag abend erfahren müssen, wie „massiv und aggressiv die Polizei vorgegangen ist“.
Der Konfliktforscher warnte zudem davor, nun härter gegen linksextreme Zentren wie die „Rote Flora“ in Hamburg vorzugehen und diese zu schließen. Das sei ein völlig falsches Signal. „Das ist Sippenstrafe und Sippenhaft.“ Vielmehr müsse man in der „Roten Flora“ selbst über Gewaltprävention reden. „Es gibt jetzt dort Leute, die sich distanzieren“, versicherte Zick. Die muß man abholen. Und dann muß man nicht den Ort verbieten oder wegsperren. Das radikalisiert einzelne nur noch stärker.“ (krk)