Melden macht frei – und belastet den Vorgesetzten, heißt es in der Bundeswehr. Nach dem Prinzip „Verantwortung nach oben abwälzen“ haben offenbar auch zahlreich Kommandeure gehandelt, als sie auf Anordnung von Generalinspekteur Volker Wieker die ihnen unterstehenden Kasernen und Liegenschaften auf mögliche Wehrmachtsdevotionalien überprüften. Eifrig meldeten sie alles, was auch nur den leisesten Verdacht erwecken könnte.
Rund 400 Einträge umfaßt die Liste, die der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Markus Grübel (CDU), dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), am Dienstag zukommen ließ. So wurde in einer Einheit eine Fettpresse entdeckt, die sowohl in der Bundeswehr als auch in der Wehrmacht verwendet worden war.
„Wir machen´s wie immer: VOLLGAS!“
Ein anderer Kommandeur meldete sicherheitshalber einen schwarzen Feuerwehrhelm mit Soldatenzeichnung. Bei diesem handelte es sich um ein „Geschenk der Freiwilligen Feuerwehr als Dank für die Unterstützung in der Flüchtlingshilfe“. Auch ein Maschinengewehr aus dem Ersten Weltkrieg, das beim Oderfluteinsatz 1997 von einer Einheit gefunden wurde, ist in der Liste aufgeführt. Ebenso das Foto von Alt-Kanzler Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform sowie die Rotkreuzflagge des letzten Truppenverbandplatzes Berlins im Zweiten Weltkrieg.
Anderswo war man sich unsicher, ob vielleicht eine Collage mit dem Titel „Wir machen´s wie immer: VOLLGAS!“ den Unmut der übergeordneten Führung erwecken könnte. Ähnlich verhielt es sich bei einem selbsterstellten Gemälde, das verschiedene deutsche Tugenden in altdeutscher Schrift zeigt. Namentlich „Pflichtbewußtsein, Redlichkeit, Toleranz, Unbestechlichkeit, Fleiß, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Haltung, Ehre, Sparsamkeit“.
Andere Einheiten meldeten Fotos von Soldaten in Wehrmachtsuniform, darunter die Widerständler des 20. Juli, Oberst Freiherr von Boeselager, General Friedrich Olbricht und General Henning von Tresckow.
Bilder und Bücher von Ernst Jünger
Einige Kommandeure hatten offenbar Schwierigkeiten, überhaupt etwas zu finden, das sie nach oben weitermelden konnten, weshalb in der Aufstellung auch Poster vom Panzermuseum Munster und Plakate für ein Computerspiel mit einem Kampfpanzer Tiger sowie des Filmklassikers „08/15“ aus dem Jahr 1954 auftauchen. In einem Kompaniegebäude wurde ein „Old English Schriftzug“ entdeckt, ein anderer Kommandeur schrieb pflichtgetreu: „Schriftzug, steht über dem Reichstag“.
Eine Einheit gestand, daß bei ihr ein Bild von Ernst Jünger hänge. Zwei Einträge weiter führte ein namentlich nicht genannter Verantwortlicher diverse Bücher auf, die es in dem ihm unterstellten Bereich gebe, darunter Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“, Hetty Verolmes „Wie Kinder von Bergen Belsen“ und „Der Pianist“ von Władysław Szpilman.
Unter Punkt 278 heißt es, im Verband gebe es ein Gebäude, in dem ein Wehrmachtssoldat abgebildet sei. Dieser trage sogar „eine Pistole aus der Zeit des Nationalsozialismus“.
Übertroffen wird das nur noch von einem Kommandeur, der sämtliche Revell Modelbausätze in seiner Kaserne meldete, darunter die Bismarck, ein Kampfflugzeug Do 353 „ohne Hakenkreuz“ und ein Tiger-Panzer „ohne Hakenkreuz“.