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Meinung: Der Staat tut nicht, was er tun sollte

Meinung: Der Staat tut nicht, was er tun sollte

Meinung: Der Staat tut nicht, was er tun sollte

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Das Brandenburger Tor in den Nationalfarben nach dem Anschlag in Berlin Foto: picture alliance/dpa/AA
Meinung
 

Der Staat tut nicht, was er tun sollte

Tag Zwei nach Berlin. Es herrscht Ruhe im Land. Auch wenn aus dem „mutmaßlichen“ nach einigem Hinhalten der tatsächliche Anschlag geworden ist. Das große Ganze, die „Gesellschaft“ oder „unser Land“ (die Kanzlerin) hat sich abgefunden, arrangiert, ist dem Rat der immer gleichen Experten gefolgt. Also wird nicht dramatisiert, übereilt, meidet man die „vorschnellen“ Urteile. Ein Kommentar von Karlheinz Weißmann.
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Tag Zwei nach Berlin. Keine Empörung, nirgends. Es herrscht Ruhe im Land. Auch wenn aus dem „mutmaßlichen“ nach einigem Hinhalten der tatsächliche Anschlag geworden ist. Das große Ganze, die „Gesellschaft“ oder „unser Land“ (die Kanzlerin) hat sich abgefunden, arrangiert, ist dem Rat der immer gleichen Experten gefolgt. Also wird nicht dramatisiert, übereilt, meidet man die „vorschnellen“ Urteile.

Die Musiktapete der großen Sender lief sowieso weiter, genauso wie das Weihnachtsgeschäft, abgesehen von ein paar Alibipausen. Immerhin: Flaggen auf halbmast, die Obrigkeit „traurig“, auch „wütend“ und sogar angewidert, aber vor allem darauf bedacht, Geschlossenheit zu fordern. Eine Geschlossenheit derer, die „auf festem Grund“ (der Präsident) stehen. Der ist allerdings begrenzt.

Geschlossenheit geht nur, wenn ausgeschlossen wird: die Menge der Warner, der Mahner, der Lästigen, die es tatsächlich immer gesagt hatten. Derlei tritt man sofort entgegen, am besten durch moralische Empörung über die Unsensiblen, denen es an Respekt fehlt, vor den Opfern und den Hinterbliebenen, vor denen, die es immer gut gemeint haben. Hier, heißt es, werde politischer Gewinn geschlagen aus einer Lage, die tragisch und nicht politisch sei.

Verantwortung und Versagen kaschieren

Aber das ist Unsinn. Selbstverständlich bleibt das Bemühen seinerseits politisch, das konkrete Geschehen verschwinden zu lassen hinter einer Wortkaskade, die ihr Vokabular dem Jargon der Selbsterfahrung verdankt. Denn hier geht es darum, Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, Verantwortung und Versagen zu kaschieren und durch Gerede dafür zu sorgen, daß sich die mit dem Angriff gemeinten – die Autochthonen, die Deutschen, die Christen, die Europäer, die Weißen – verlieren in einem anonymen „Wir“.

Das soll sich ausdrücklich nicht wehren, kann es gar nicht, weil es keine Konturen mehr hat, sondern nur ein bunter, ad hoc gebildeter, unmündig gehaltener Haufen ist, außerstande, irgendetwas zu tun, um sich zu behaupten. Deshalb gab es in dieser Situation auch keinen durchdringenden Appell, kein einziges mannhaftes Wort. Außer von Donald Trump: Was in Berlin geschehen sei, könne man nicht trennen von dem, was im Namen des Islam auch an anderen Orten geschieht, als Teil des Dschihad, dessen Ziel die Auslöschung der Christenheit ist; und angesichts dessen seien unsere Anstrengungen darauf zu richten, daß diese „Terroristen und ihre regionalen und weltweiten Netzwerke … vom Angesicht der Erde ausgelöscht werden“.

Daß Trump die religiöse Dimension des Konfliktes ausdrücklich genannt hat und kein Wort fällt über die „westlichen Werte“ oder die der „Aufklärung“, gegen die sich die Berliner, Brüsseler, Pariser, Londoner, Madrider Anschläge der Islamisten angeblich gerichtet haben, bringt einen Sachverhalt zur Sprache, den nicht nur unsere Politiker, sondern auch die Sprecher der großen Kirchen sorgsam beschweigen.

Seelsorgeangebot für die gottlose Gesellschaft

Auch das hat Gründe: Auch sie sind eifrig dabei, den Zusammenhang von Masseneinwanderung, Fehlschlag der Integration, Islamisierung und Terrorismus mit allen Mitteln zu tabuieren; auch sie neigen dazu, den Angreifer immer abstrakter werden zu lassen, die Rede von „dem Bösen“ hat wieder Konjunktur; auch sie fördern die Illusion vom Zusammenleben in „Vielfalt“ und flankieren sie mit der abstrusen Idee des Ausgleichs aller Glaubensdifferenzen; auch sie haben ihren eigentlichen Anspruch längst aufgegeben, weil sie eine Wirkungschance nur noch im Zivilreligiösen sehen, dem Seelsorgeangebot für die gottlose Gesellschaft.

Von diesem Fehlverständnis war auch der Gedenkgottesdienst für die Opfer des Anschlags in Berlin bestimmt. Da ließ man zwar „Die Nacht ist vorgedrungen“ des frommen Jochen Klepper singen. Aber nur die erste Strophe. Denn alles andere wäre anstößig geworden, nicht zuletzt für die Teilnehmer aus den Reihen der „Geschwisterreligionen“.

Jetzt ist nicht das Evangelium zu predigen

Für Klepper, der seinem Glauben tatsächlich treu bis in den Tod war, gab es gar keinen Zweifel: nichts da mit faulem Frieden auf Erden – „Noch manche Nacht wird fallen / auf Menschenleid und -schuld“ – und nichts da mit dem lieben Gott – „Gott will im Dunkel wohnen“ – und nichts da mit dem Geschwätz von allgemeiner Versöhnung „Der sich den Erdkreis baute, / der läßt den Sünder nicht. / Wer hier dem Sohn vertraute, / kommt dort aus dem Gericht.“

Der Staat tut nicht, was er tun sollte. Und die Kirche tut es auch nicht. Wenn sie tatsächlich ein „Wächteramt“ gegenüber der Welt wahrnehmen wollte, dann müßte sie anders reden. Jetzt ist nicht das Evangelium zu predigen, sondern das Gesetz. Jetzt ist Zeit, den Staat zu erinnern, daß er ein Gewalthaber ist, daß er „das Schwert nicht umsonst“ führt, denn die Obrigkeit: „ist Gottes Dienerin und vollzieht das Strafgericht an dem, der Böses tut“ (der Apostel Paulus an die Römer 13,4).

Das Brandenburger Tor in den Nationalfarben nach dem Anschlag in Berlin Foto: picture alliance/dpa/AA
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