Die Koalitionsberge kreißten, und Horst Seehofer kam mit einer Maus heraus: Die Bundeskanzlerin findet die Idee von grenznahen „Transitzonen“ für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern mit offensichtlich nicht vorhandenem Antragsgrund zwar irgendwie ganz in Ordnung, aber die SPD bleibt bei ihrem Standpunkt, auch dieser Vorschlag zur zaghaften Eindämmung der Asylströme sei Teufelszeug.
Demnächst will man mal weiter darüber reden. Vielleicht kommt irgendwann eine bis zur Unkenntlichkeit verwässerte Variante davon heraus. Während die Große Koalition öffentlich ihre Handlungsunfähigkeit zelebriert, zieht die Karawane der Einwanderungswilligen weiter nach Deutschland. Tausende um Tausende, Zehntausende um Zehntausende, Stunde um Stunde, Tag um Tag.
Seehofer als Papiertiger enttarnt
Selbst wenn man sich als Formelkompromiß auf die „Transitzonen“ geeinigt hätte, also die Übertragung der „Flughafenregelung“ auf den Landweg an Deutschlands Südgrenzen, wäre das noch keine Lösung gewesen, sondern allenfalls ein Lösungsteilchen. Alle Grundprobleme bleiben so oder so bestehen: die trotzköpfige Weigerung, Obergrenzen der Aufnahmefähigkeit zu benennen, die einer unendlichen Verlängerung des Blankoschecks der Kanzlerin für illegale Einwanderer gleichkommt; die schleichende Strangulierung von Ländern und Kommunen durch die erzwungene Aufnahme einer unkalkulierbaren Zahl; die Bankrotterklärung des deutschen Staates, der sich als unfähig zeigt, einen elementaren Bestandteil seiner Souveränität und Existenz, die Kontrolle über seine Grenzen und den Zugang zu seinem Staatsgebiet zu behaupten.
Das ist nicht nur eine blamable weitere Niederlage für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, der einmal mehr als Papiertiger entzaubert ist. Zwar versteht er es, medienwirksamen Theaterdonner zu inszenieren und mit „Notwehrmaßnahmen“ gegen den selbstmörderischen Kurs der Schwesterpartei und ihrer Vorsitzenden zu drohen, aber wenn es zum Schwur kommt, traut er sich nicht, die Konsequenzen zu ziehen.
Gefangen in einem selbstgeschaffenen Paralleluniversum
Um vorherzusehen, er werde die Koalition schon nicht platzen lassen, brauchte es nicht viel Phantasie: CDU und SPD können auch ohne bayerische Minister und Abgeordnete mit komfortabler Mehrheit weiterregieren. Um die Kanzlerin herauszufordern, hätte er schon die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufkündigen und die CSU zur bundesweiten Konkurrenzpartei erklären müssen, die auch die Unzufriedenen in der Schwesterpartei abwerben will.
Oder wenigstens seine angeblich gut vorbereiteten Notmaßnahmen in Kraft setzen, beispielsweise mit eigenen Kräften die Grenzen abriegeln müssen und es auf Zwangsmaßnahmen des Bundes ankommen lassen. Nichts von alledem. Denn auch einem Horst Seehofer geht es an erster Stelle darum, seine und seiner Paladine Pfründe zu retten, und nicht um das Wohl von Staat und Nation. Gefangen in ihrem selbstgeschaffenen Paralleluniversum, versucht die politische Klasse auch diese Krise mit den üblichen Methoden auszusitzen.
Unflätige Beschimpfungen von Kritikern
Ein Mehltau von Honecker und Breschnew liegt über dem Land: Wir tun einfach so, als gäbe es gar keine Krise, und machen ganz fest die Augen zu, dann sieht uns die Krise auch nicht.
Wer bei dem Versteckspiel vor der Realität nicht mitmachen will, bekommt eins mit der Keule übergezogen. Wenn Druck ausgeübt wird, dann allein gegen das eigene Volk, dem nicht nur alle Lasten aufgebürdet werden, sondern das zusätzlich auch noch die Tourette-Anfälle der politischen Spitzen aushalten muß. Die überhäufen – wie SPD-Chef Gabriel oder sein Vize Ralf Stegner – jeden, der Zweifel an der Weisheit ihres Treibens äußert, mit unflätigen Beschimpfungen von „Pegidioten“ und „Pack“ bis „Nazis“ und „Rassisten“, wollen Aufmucker vor Gericht zerren und vom Inlandsgeheimdienst verfolgen lassen.
Tatkraft vortäuschen funktioniert nicht mehr
Die Hysterie und Maßlosigkeit dieses Umsichbeißens, das Gefolgschaft auf der Schußfahrt in die Sackgasse erzwingen soll, trägt panikartige Züge. Die Ratlosigkeit der politischen Klasse kristallisiert sich im wildgewordenen Einschlagen auf zum Blitzableiter auserkorene Erscheinungen wie die Pegida-Bewegung, die ja selbst nicht Ursache der Probleme ist, sondern nur Symptom und Reaktion auf kollektives Staatsversagen. Das oft geübte Rezept, die Bürger mit Alibibeschlüssen zu schnelleren Abschiebungen oder beschleunigten Asylverfahren ruhigzustellen, die Tatkraft vortäuschen sollen, ohne je ausgeführt zu werden, funktioniert nicht mehr, weil jedes Nichthandeln die Asylkrise weiter verschärft.
Nicht nur die CDU-Basis revoltiert deshalb zunehmend lauter. Kommunale Verantwortungsträger müssen ohnmächtig und mit wachsender Verzweiflung am Boden die Suppe auslöffeln, die in luftiger Höhe eingebrockt wurde. Selbst Polizeibeamte und Sicherheitskräfte äußern zunehmend lauter ihren Unmut über eine Staatsgewalt, die sich schlicht weigert, geltendes Recht und Gesetz anzuwenden, und ihre Hoheitsträger dafür verheizt.
Versagen der politiknahen Leitmedien
Die Frustrationsbekundungen der Staatsdiener sind ein deutliches Alarmsignal. Dem multiplen Regierungsversagen entspricht das Oppositionsversagen von Linken und Grünen. Die beschränken sich darauf, den Regierenden anzukreiden, daß sie nicht schnell und umfassend genug vor dem Immigrationsdruck kapitulieren. Hinzu kommt das gesellschaftliche Versagen der politiknahen Leitmedien, die sich als Propagandawerkzeug verstehen, statt mit Fakten und kritischen Fragen dagegenzuhalten.
Eine Kraft, die die Kanzlerin zwingen könnte, ihren Fehler einzuräumen und den Weg für eine politische Wende freizumachen, ist unter diesen Bedingungen nicht in Sicht. Die Asylkrise, die längst zur Staatskrise geworden ist, steuert auf die Katastrophe zu.
JF 46/15